ZPO § 103 ff. BGB § 389

Leitsatz

Unstreitige und aktenkundige materiell-rechtliche Einwendungen, die keiner weiteren rechtlichen Prüfung bedürfen, sind im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (hier Erfüllung durch Aufrechnung mit der Klageforderung).

AG Siegburg, Beschl. v. 19.8.2014 – 108 C 6/14

1 Sachverhalt

Die Klägerin hatte gegen die Beklagte ein Urteil auf Zahlung einer Geldforderung erwirkt. Die Kosten des Verfahrens hatte die Klägerin allerdings überwiegend zu tragen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärte sodann die Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klageforderung. Ungeachtet dessen meldete er die vollen Kosten der Beklagten zur Festsetzung an. Das Gericht setzte ungeachtet der erklärten Aufrechnung die angemeldeten Kosten fest.

Hiergegen hat der Kläger Erinnerung eingelegt und darauf hingewiesen, dass der Beklagte unstreitig die Aufrechnung erklärt habe, so dass in diesem Umfang keine Kosten festgesetzt werden dürften. Es würde anderenfalls eine bereits erfüllte Forderung tituliert, so dass die Gefahr der Zwangsvollstreckung wegen bereits unstreitig erfüllter Forderungen möglich sei.

Der Rechtspfleger hat die Erinnerung zurückgewiesen mit der Begründung, materiell-rechtliche Einwände seien im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.

Der Abteilungsrichter hat den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und die Sache an den Rechtspfleger zurückgegeben.

2 Aus den Gründen

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig und begründet. Die Aufrechnung der Beklagten gegenüber der zu zahlenden Summe aus dem rechtskräftigen Urteil mit dem Kostenerstattungsanspruch ist bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen. Zwar sind im Kostenfestsetzungsverfahren materiell-rechtliche Einwände grundsätzlich nicht zu prüfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht jedoch dann, wenn die tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus der Akte ermittelt werden können. In einem solchen Fall bedarf es keiner weiteren Tatsachenaufklärung, so dass die unstreitigen Tatsachen im Kostenfestsetzungsverfahren Berücksichtigung finden können. Denn der Kostenerstattungsschuldner soll aus prozessökonomischen Gründen nicht auf die aufwendige Vollstreckungsabwehrklage verwiesen werden (BGH, Beschl. v. 14.5.2014 – XII ZB 539/11 [AGS 2014, 296]).

Eine solche Einwendung liegt in der von dem Klägervertreter eingewandten Aufrechnung. Die Aufrechnungserklärung und deren Wirksamkeit sind zwischen den Parteien unstreitig. Es bedarf somit keiner materiell-rechtlichen Prüfung mehr. Diese wäre dem Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren verwehrt.

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist zutreffend.

Rechtspfleger neigen i.d.R. dazu, grundsätzlich jegliche materiell-rechtlichen Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren unberücksichtigt zu lassen. Wie der BGH[1] zuletzt nochmals klargestellt hat, sind materiell-rechtliche Einwendungen immer zu beachten, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen unstreitig und die daraus resultierenden Folgen evident sind. Solche Fälle sind insbesondere dann gegeben, wenn mit der aktenkundigen Urteils- oder Vergleichssumme aufgerechnet oder wenn eine unstreitige Zahlung eingewandt wird.

Norbert Schneider

AGS 10/2014, S. 485 - 486

[1] BGH AGS 2014, 296 = NJW 2014, 2287 = MDR 2014, 865 = Rpfleger 2014, 558 = ZIP 2014, 1304 = RVGreport 2014, 318 = Prozessrecht aktiv 2014, 128 = FamRZ 2014, 1362 = FuR 2014, 529 = FamRB 2014, 336 = JurBüro 2014, 486.

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