Nach Auffassung des LG hat das AG die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu Unrecht nicht der Staatskasse auferlegt. Nach dem Grundsatz des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO fallen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Als Ausnahme hiervon könne das Gericht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt werde, weil ein Verfahrenshindernis bestehe. Bei Hinwegdenken dieses Verfahrenshindernisses – hier der eingetretenen Verfolgungsverjährung – muss feststehen, dass es mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH NStZ 1995, 406, 407). Als Ausnahmevorschrift sei diese eng auszulegen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.11.2014 – 2 Ss 142/14 m.w.N.).

Eine solche Schuldspruchreife könne nur nach vollständig durchgeführter Hauptverhandlung und dem letzten Wort des Betroffenen eintreten (BGH NJW 1992, 1612, 1613; s. auch BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – 3 StR 545/07). Selbst wenn man der Gegenansicht folge, wonach von der Auslagenerstattung durch die Staatskasse bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesehen werden könne, wenn nämlich ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht bestehe und keine Umstände erkennbar seien, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden (so etwa BGH. NStZ 2000, 330, 331), führe dies hier zu keiner anderen Beurteilung. Denn es begründe insofern durchgreifende Bedenken, dass die Verteidigung des Betroffenen insofern beeinträchtigt gewesen sei, als ihm die Bußgeldstelle – entgegen der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG – die Baumusterprüfbescheinigung des verwendeten Messgeräts und die verkehrsrechtliche Anordnung der maßgeblichen Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht zur Verfügung gestellt habe. Nach diesen Erwägungen sei die Verurteilung des Betroffenen – auch wenn keine Verfolgungsverjährung eingetreten wäre – nicht derart sicher gewesen, dass von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen gewesen wäre, zumal die unterlassene Überlassung bestimmter Unterlagen an die Verteidigung auch bei Ausübung des von dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens zu würdigen sei. Vielmehr habe es bei dem Grundsatz der Tragung der notwendigen Auslagen des Betroffenen durch die Staatskasse bleiben müssen.

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