§ 6 InsVV; § 203 InsO

Leitsatz

  1. Eine Nachtragsverteilung kann eine Vergütung dann nicht auslösen, wenn die Tätigkeit bereits mit der Vergütung des Insolvenzverwalters abgegolten ist.
  2. Eine fehlende Prüfung von Massezuflüssen durch den Verwalter im eröffneten Verfahren kann zu keiner weiteren Vergütung führen.

AG Fulda, Beschl. v. 11.4.2023 – 91 IK 11/21

I. Sachverhalt

Ein Insolvenzverfahren wurde mit Beschl. v. 9.3.2021 eröffnet und mit Beschl. v. 19.8.2021 wieder beendet. Das Verfahren war masselos, eine Vergütung erfolgte lediglich i.H.d. Mindestvergütung aus der Staatskasse. Mit Beschl. v. 6.1.2022 ist die Nachtragsverteilung nach § 203 InsO für das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2020 angeordnet und der bisherige Insolvenzverwalter mit dem Vollzug der Nachtragsverteilung betraut worden. Mit Antrag v. 7.4.2022 begehrt der Treuhänder die Festsetzung der Vergütung für die Tätigkeit in der Nachtragsverteilung i.H.v. 156,67 EUR zzgl. der gesetzlichen MwSt. Der Treuhänder legt seinem Antrag eine (Anm.: korrekt ermittelte) Berechnungsgrundlage von 666,70 EUR zugrunde. Das AG Fulda wies den Antrag auf Vergütung für die Nachtragsverteilung zurück. Begründet wurde dies damit, dass der Anspruch auf Erstattung von Nebenkosten bereits hätte im laufenden Verfahren erkannt werden müssen. Bei Berücksichtigung dort wäre das Verfahren niemals aufgehoben worden – eine zusätzliche Vergütung wäre dann nicht entstanden. Nachdem auch nur die Mindestvergütung vergütet wurde, wären insgesamt dann auch wegen des geringen Betrages keine weiteren Vergütungsansprüche hinzugekommen.

II. Keine gesetzliche Regelung für Vergütung in der Nachtragsverteilung

Für die Tätigkeit im Rahmen der angeordneten Nachtragsverteilung erhält der Insolvenzverwalter unter Berücksichtigung des Werts der nachträglich zu verteilenden Masse eine gesonderte Vergütung, die nach billigem Ermessen festzusetzen ist, § 6 Abs. 1 InsVV. Das dem Insolvenzgericht eingeräumte Ermessen ist verfassungskonform auszuüben. Als Berechnungsgrundlage ist der Wert der nachträglich zu verteilenden Insolvenzmasse zu berücksichtigen (BGH ZIP 2006, 2131). Der Verordnungsgeber hat für die Nachtragsverteilung keine Regelvergütung vorgesehen, weil die Nachtragsverteilungen zu verschieden gelagert sind und es sachgerechter ist, die Vergütung jeweils einzelfallbezogen festzulegen (BGH NZI 2010, 259, ZIP 2011, 2115; ZIP 2006, 2131; ZInsO 2010, 538).

III. Ermittlung von Sachverhalten ist Aufgabe des Verwalters

Grds. gehöre zu den Aufgaben eines Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren auch die Überprüfung und Klärung aller rechtlicher Verhältnisse des Schuldners. Hierzu gehöre auch die Frage, ob die Nebenkostenabrechnung bereits erfolgt ist, wann diese erfolgt ist bzw. ob mit einer Rückerstattung zu rechnen ist. Wäre dies geschehen, hätte das Verfahren nicht beendet werden können, sondern es wäre die Erstattung abzuwarten gewesen. Dann wären der Vergütungsanspruch und der Gegenstand bereits bei der Vergütung für den Insolvenzverwalter berücksichtigt worden. Bei Aufhebung des Verfahrens bestanden offene Verfahrenskosten i.H.v. 1.646,72 EUR. Die Masse aus der Nachtragsverteilung i.H.v. 666,70 EUR ist zunächst zur Begleichung der Kosten des Verfahrens heranzuziehen. Es kommt auch nicht zu einer Verteilung an die Gläubiger, da diese Masse vollständig auf die Verfahrenskosten zu zahlen ist. Wäre die Information über eine noch offene Nebenkostenabrechnung bekannt gewesen, wäre das Verfahren noch nicht aufgehoben worden. Dann wäre der Anspruch bereits durch die pauschale Mindestvergütung abgegolten worden.

IV. Anspruch des Verwalters bei Nachtragsverteilung

Kommt es nach Aufhebung des Verfahrens noch zu einer Erstattung aus einer Nebenkostenabrechnung oder zu sonstigen Zuflüssen, die der Insolvenzmasse zuzuordnen ist, ist nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine Nachtragsverteilung anzuordnen. Die Frage ob und in welcher Höhe ein Vergütungsanspruch hierfür besteht, ist durch die reine Anordnung der Nachtragsverteilung nicht automatisch geklärt und unterliegt unter Berücksichtigung der §§ 1, 2 InsVV den Anforderungen des § 6 InsVV. Zwar habe der BGH klargestellt, wonach eine eigenständige Vergütung für Nachtragsverteilung auch dann bestehe, wenn zuvor aufgrund einer Nullmasse lediglich eine Mindestvergütung festgesetzt worden war (BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 78/08, NZI 2010, 259), jedoch begründe diese Entscheidung keinen Automatismus. Ein Fall des § 6 Abs. 1 S. 2 InsVV scheide bspw. aus, wenn ein Vermögensgegenstand in vorwerfbarer Weise noch nicht im eröffneten Verfahren verwertet wird (Zimmer, InsVV, 2. Aufl., 2021, § 6 Rn 17).

V. Bedeutung für die Praxis

Die Anordnung einer Nachtragsverteilung kommt in der Praxis sehr häufig vor. "Klassiker" bilden dabei die Vorbehalte wegen einer zu erwartenden Steuererstattung. Auch die hier entschiedenen "Nebenkostenabrechnungen" kommen häufig vor – in Zeiten gestiegener Energiekosten aber zumeist nicht mit Erstattungen. Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Auch Steuererstattungsansprüche oder Nebenkostenabrechnungen gehören zur...

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