1. Eine weitere falsche Entscheidung für den Chor derjenigen, die für die Anhörung des Verfolgten im Auslieferungsverfahren in einem Termin beim AG die Terminsgebühr Nr. 6102 VV nicht gewähren. Zutreffend an dieser Entscheidung ist allein, dass alle OLG es falsch machen, inzwischen leider auch das OLG Jena, das gerade erst seine zutreffende bis dahin a.A. aufgegeben hat (OLG Jena AGS 2021, 217). Die Argumente in diesem Streit, der seit Inkrafttreten des RVG dauert, sind ausgetauscht. es ist daher müßig, sie noch einmal zu wiederholen. Die OLG weichen von ihrer falschen Auffassung nicht ab, egal was eingewendet wird. Und wenn dann einmal – wie hier – ein Rechtspfleger den richtigen Weg einschlägt, gibt es ja immer noch die Hüter der Staatskasse, die dann durch ein Rechtsmittel dafür sorgen, dass das verirrte Schaf zur Herde zurückgetrieben wird.

2. Folgenden kurze Anmerkungen zu der Entscheidung sind aber dennoch angebracht:

a) Soweit das OLG die Gebührenhöhe als Beleg für seine Auffassung anführt, hinkt dieser Vergleich, bzw.: Das OLG vergleicht Birnen und Äpfel, wenn es die – zu niedrigen – Gebühren des Verteidigers nach Teil 4 VV mit denen des Teil 6 VV vergleicht. Es handelt sich um unterschiedliche Verfahrensarten, deren Gebührenhöhe man nicht miteinander vergleichen kann. Zudem lässt das OLG in dem Zusammenhang die Bedeutung der Anhörung usw. für den Verfolgten außer Betracht. Denn gerade bei der Anhörung durch das AG werden die Weichen für das Auslieferungsverfahren gestellt. Wenn man das AG schon als "Ohr des OLG" ansieht, dann erschließt sich nicht, warum dann nicht auch die entsprechenden Gebühren anfallen sollen.

b) Der Verweis des OLG auf die Möglichkeit einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist angesichts der mehr als restriktiven – m.E. gesetzeswidrigen – Beschränkung des § 51 RVG in der Rspr. der OLG zynisch. Diesen Verweis bemühen die OLG aber immer wieder gerne, um dann jedoch, wenn eine Pauschgebühr beantragt wird, deren Voraussetzungen zu verneinen. Das ist der berühmt-berüchtigte "Ätsch-Effekt".

c) Und schließlich: Auch der Hinweis des OLG auf den Willen des Gesetzgebers und das KostRÄG 2021 verfängt nicht. Denn durch dieses Gesetz, dass zu Recht nicht als 3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz angetreten ist, was ein Etikettenschwindel gewesen wäre, sind – zumindest in den Teil 4–6 VV – kaum "materielle" Änderungen vorgenommen worden. Das Gesetz beschränkt sich für das RVG im Wesentlichen auf die linearen Gebührenerhöhungen. Daraus nun abzuleiten, dass sei eine "Billigung der herrschenden Meinung" ist nicht nachvollziehbar. Ebenso kann man das Argument umdrehen und behaupten: Der Umstand, dass der Gesetzgeber nichts unternimmt, zeigt, dass er die Frage als i.S.d. zutreffenden a.A. der Lit. geklärt ansieht.

d) Eines ist aber sicherlich zutreffend: Es ist/wäre mehr als wünschenswert, dass die strittige Frage durch den Gesetzgeber geklärt wird, und zwar klarstellend im Sinne der h.M. in der Literatur. Alles andere wäre im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung von Auslieferungsverfahren nicht nachvollziehbar.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 9/2021, S. 401 - 404

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