Die (Haupt-)Begründung der Entscheidung ist m.E. falsch, das Ergebnis jedoch wohl zutreffend.

1. Die Ausführungen des KG zum Abgeltungsbereich der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV sind im Ergebnis nicht zutreffend. Zutreffend ist allerdings der Ansatz des KG, wonach die zusätzliche Verfahrensgebühr eine gerichtliche Tätigkeit nicht voraussetzt, sondern auch (nur) Besprechungen und Beratungen des Mandanten die Gebühr auslösen, sofern die Tätigkeit nach Aktenlage geboten gewesen sei. Letzteres verneint das KG, weil weder die Staatsanwaltschaft in der Anklage einen Einziehungsantrag gestellt hatte, noch ein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO) des Gerichts erfolgt sei.

Diese Sicht ist zu eng (vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl., 2021, Nr. 4142 VV RVG Rn 18 ff.). Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Gebühr Nr. 4142 VV nicht davon abhängt, dass ein Einziehungsantrag vorliegt (so auch OLG Dresden RVGreport 2020, 228). Es genügt, dass sie nach Lage der Sache in Betracht kommt. Und warum Letzteres hier nicht der Fall sein soll, erschließt sich nicht. Jeder Verteidiger muss doch – schon im Hinblick auf seine Haftung – den Mandanten über eine Einziehung beraten, wenn diese sachlich möglich ist. Und das war hier – unabhängig davon, dass die Staatsanwaltschaft einen Einziehungsantrag – aus welchen Gründen auch immer – nicht gestellt hatte, der Fall. Der fehlende Antrag in der Anklage führt doch nicht dazu, dass nicht auch im Laufe des Verfahrens noch ein Antrag gestellt werden konnte. Allein dadurch, dass der Verteidiger den Angeklagten darauf hinweist – was er ggfs. muss – ist/wäre die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV entstanden, weil das eine Tätigkeit "im Hinblick auf die Einziehung" gewesen wäre. Zudem ist hier ggfs. die Verfahrensgebühr auch deshalb entstanden, weil über die Möglichkeit der Einziehung bzw. die bei einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht (mehr) gegebene Möglichkeit mit der Vorsitzenden vor der Einstellung in dem erwähnten Telefonat gesprochen worden ist.

2. Und damit sind wir an dem Punkt angekommen, der dazu führt, dass die Ablehnung der Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV im Ergebnis zutreffend ist. Denn bei der Gebühr Nr. 4142 VV handelt es sich um eine Verfahrensgebühr, die alle Tätigkeiten des Verteidigers im Zusammenhang mit der Einziehung abgilt (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4142 VV Rn 18). Da es sich um eine Verfahrensgebühr handelt, kann bzw. wird sich – insbesondere bei der beratenden Tätigkeit des Verteidigers – die erbrachte Tätigkeit häufig nicht aus der Akte ergeben. Dann obliegt es dem Verteidiger, dazu vorzutragen und darzulegen, welche Tätigkeiten er "im Hinblick auf die Einziehung" erbracht hat. Dafür muss man gar nicht erst den § 10 Abs. 2 RVG bemühen, sondern das folgt schon aus allgemeinen Überlegungen zur Verfahrensgebühr nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV. Denn die Tätigkeit, die das Gericht nicht kennt, wird ggfs. nicht honoriert. Und dieser erforderliche Vortrag hat hier gefehlt, sodass es sich der Verteidiger letztlich selbst zuzuschreiben hat, dass die Gebühr Nr. 4142 VV nicht festgesetzt worden ist und er auf rund 11.000,00 EUR Gebühren "verzichten" muss. Dieses Schweigen ist umso unverständlich, weil ja offenbar der Beschluss des LG ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass keine Tätigkeit des Rechtsanwalts auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahme erbracht worden sei. Dann kann man aber – und da folge ich dem KG – erwarten, dass in der Beschwerdeinstanz dieser Vortrag dann zumindest nachgeholt und dargelegt wird, wann, was mit dem Mandanten besprochen worden ist. Ggfs. hätte es ja auch schon gereicht, wenn der Inhalt des Telefonats des Verteidigers mit der Vorsitzenden der Strafkammer dargelegt worden wäre. So ist das aber leider alles im Dunkeln geblieben und die rund 11.000,00 EUR bleiben in der Staatskasse, wo sie wegen der im Zweifel erbrachten Tätigkeiten an sich nicht mehr hingehören.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 9/2021, S. 396 - 397

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