Die Klägerin kann von den Beklagten nicht die Erstattung der begehrten Kosten verlangen. Der Rechtspfleger hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu Unrecht entsprochen.

Nach dem Gesetz (§ 91 Abs. 1 u. Abs. 2 ZPO) hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Pflicht reicht so weit, wie die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsansicht, dass der Berufungsgegner, selbst wenn ein Rechtsmittel ausdrücklich nur fristwahrend eingelegt wurde, grundsätzlich sofort einen Anwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren beauftragen kann, ohne gegen die Grundsätze des § 91 ZPO zu verstoßen (BAG v. 14.11.2007, NJW 2008, 1340; BGH v. 17.12.2002 – X ZB 9/02, JurBüro 2003, 257 [= AGS 2003, 219]; BAG v. 16.7.2003 – 2 AZB 50/02, NZA 2003, 1293 [= AGS 2004, 82]). Dem folgt die erkennende Kammer seit langem (vgl. Kammerbeschl. v. 20.10.2003 – 13 Ta 387/03 und 13 Ta 388/03, v. 30.10.2003 – 13 Ta 397/03, v. 29.3.2004 – 13 Ta 61/04, v. 17.6.2004 – 13 Ta 197/04; v. 4.10.2005 – 13 Ta 339/05; v. 15.3.2006 – 13 Ta 80/0; v. 10.4.2007 – 13 Ta 70/07 – u. v. 10.1.2011 – 13 Ta 484/10; ebenso auch LAG Berlin v. 20.8.2003 – 17 Ta 6060/03, MDR 2004, 58; KG v. 9.5.2005 – 1 W 20/05, JurBüro 2005, 418; LAG Düsseldorf v. 8.11.2006 – 16 Ta 596/05, MDR 2006, 659; vgl. auch: Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91 Rn 13, Stichwort Berufung m.w.N.). Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen.

Eine derartige Einschränkung lässt sich auch § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht entnehmen. Es muss genügen, dass der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf (BAG und BGH, a.a.O.).

Diese Grundsätze gelten jedoch dann nicht, wenn die Parteien ein sogenanntes Stillhalteabkommen geschlossen haben, also eine Vereinbarung, nach der sich der Vertreter des Berufungsbeklagten so lange nicht zu den Akten der zweiten Instanz legitimieren soll, bis sich der Berufungskläger darüber klar geworden ist, ob er die Berufung tatsächlich durchführen will oder nicht. Auch hierüber besteht weitgehende Einigkeit (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl. 2010, Nr. 3200 VV Rn 47 m.w.N.; Baumbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 91 Rn 160; KG v. 9.5.2005 a.a.O.; OLG Zweibrücken v. 12.11.2001 – 4 W 60/01; Sächsisches LAG vom 4.4.2000 – 9 Sa 64/00; OLG Karlsruhe v. 28.4.1999, NJW-RR 2000, 512; OLG Karlsruhe v. 2.6.1998 – 3 W 29/98; OLG Düsseldorf v. 9.2.1995, NJW-RR 1996, 54). Streit herrscht allenfalls insoweit noch über die Frage, ob das Schweigen des Rechtsmittelbeklagten auf eine entsprechende Stillhaltebitte schon bindend wirkt oder nicht (vgl. dazu Gerold/Schmidt a.a.O., Rn 70 m.w.N. und OLG Düsseldorf, a.a.O.). Dies ist mit der h.M. abzulehnen (ebenso z.B. BGH vom 9.10.2003, NJW 2004, 73 [= AGS 2004, 124]; LAG Thüringen AGS 2001, 286; Gerold/Schmidt, a.a.O.; a.A. OLG Bamberg AGS 2000, 170; BayVGH JurBüro 1994, 349). Allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre folgend kann in bloßem Schweigen auf ein Angebot keine Zustimmung erkannt werden (ebenso auch Kammerbeschl. v. 10.1.2011 – 13 Ta 484/10; v. 23.11.2009 – 13 Ta 614/09 u. v. 19.11.2008 – 3 Ta 322/08).

Hier hat der ehemalige Klägervertreter der Stillhaltebitte der Beklagtenvertreter ausdrücklich zugestimmt. Dies ergibt sich glaubhaft und von den derzeitigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin letztlich nicht bezweifelt aus der vorgelegten E-Mail des ehemaligen Klägervertreters v. 29.3.2011. Es bestand also eine wirksame Stillhaltevereinbarung, die der vormalige Klägervertreter im Umfang seiner damals noch bestehenden Vollmacht (§§ 81, 85 ZPO) für die Klägerin abschließen konnte. Diese Vereinbarung gilt weiter, auch wenn die Klägerin danach einen anderen Anwalt bevollmächtigt hat.

Eine Kostenfestsetzung zulasten der Beklagten kommt deshalb nicht in Betracht.

Dessen ungeachtet wäre die Erstattung einer vollen Verfahrensgebühr wegen des kostenrechtlich noch nicht gebotenen Antrags aus Zurückweisung der Berufung wohl ohnehin nicht in Betracht gekommen(vgl. dazu z.B. Gerold/Schmidt a.a.O., VV 3200 Rn 41).

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