In den beiden vorangegangenen Entscheidungen des VIII. ZS des BGH v. 14.9.2021 und v. 5.7.2022, a.a.O., ging es um die Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten der Kölner Hauptbevollmächtigten der in München geschäftsansässigen Klägerin. In beiden Fällen hatte der BGH die Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten der Klägerin entgegen der Auffassung des OLG München in vollem Umfang bejaht. Dies hat der BGH in beiden Entscheidungen damit begründet, die Hinzuziehung der auswärtigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien notwendig, weil die Klägerin für die Führung einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten im gesamten Bundesgebiet eine einzige Anwaltskanzlei beauftragt hat. Deshalb komme es für die Erstattungsfähigkeit der vollen Terminsreisekosten nicht darauf an, wo dieser Rechtsstreit geführt werde. Dies hat dann zur Folge, dass im Einzelfall die Terminsreisekosten der auswärtigen Prozessbevollmächtigten auch dann erstattungsfähig sind, wenn der Rechtsstreit vor einem Gericht am Geschäftssitz der erstattungsberechtigten Partei – das war hier München – geführt wird. In einem solchen Fall kommt dann die Beschränkung der Terminsreisekosten auf die fiktiven Kosten eines Anwalts, dessen Kanzlei sich an dem von dem Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks befindet, nicht in Betracht.

Diese Rspr. des BGH begünstigt Parteien, die eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten im gesamten Bundesgebiet zu führen haben. Für den Prozessgegner hat dies zur Folge, dass er das Prozesskostenrisiko vor Beginn des Rechtsstreits kaum abschätzen kann. Er weiß nämlich nicht, dass der Prozessgegner – hier die Klägerin mit Geschäftssitz in München – stets auswärtige Prozessbevollmächtigte einschaltet. Vielmehr kann der Prozessgegner regelmäßig erwarten, dass sich eine in München geschäftsansässige Partei auch durch einen Münchener Prozessbevollmächtigten vertreten lässt. Die Besonderheiten, aufgrund derer ausnahmsweise die Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten auch für die Führung eines Rechtsstreits am Geschäftssitz der Partei gegeben sind, sind dem Prozessgegner regelmäßig nicht bekannt.

In diesem Fall hatte sich die Klägerin im Verhandlungstermin vor dem LG München I nicht durch ihre Kölner Hauptbevollmächtigten vertreten lassen. Gleichwohl war die Frage zu entscheiden, ob die – fiktiven – Terminsreisekosten der Kölner Prozessbevollmächtigen notwendig gewesen wären, wenn sie denn den Termin selbst wahrgenommen hätten. Denn die Kosten des Terminsvertreters sind in einem solchen Fall dann erstattungsfähig, wenn sie die ersparten Terminsreisekosten des Hauptbevollmächtigten um nicht mehr als 10 % überschreiten. Insoweit besteht somit ein Zusammenhang zwischen der Erstattungsfähigkeit der – hier tatsächlich nicht angefallenen – Terminsreisekosten der Kölner Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Erstattungsfähigkeit der Terminsvertreterkosten.

Dem mitgeteilten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, wie sich die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Terminsvertretung durch den Terminsvertreter aus Fürstenfeldbruck errechnen. Zur Klarstellung sei bemerkt, dass diese Terminsvertreterkosten zunächst einmal insoweit erstattungsfähig sind, als durch die Einschaltung des Terminsvertreters regelmäßig auf Seiten der Hauptbevollmächtigten der Anfall einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV erspart worden ist. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn dem Hauptbevollmächtigten eine Terminsgebühr durch Wahrnehmung eines weiteren Verhandlungstermins oder durch Besprechungen zur Erledigung oder Vermeidung des Rechtsstreits angefallen ist. Liegt ein solcher Ausnahmefall (Anfall der Terminsgebühr bei den Hauptbevollmächtigten) nicht vor, sind die Terminsvertreterkosten zunächst einmal i.H.d. ersparten Terminsgebühr erstattungsfähig. Erst für die darüber hinausgehenden Mehrkosten kommt es auf die vom BGH erörterten erstattungsrechtlichen Probleme an.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 8/2023, S. 353 - 355

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