Der Entscheidung des LAG Kiel in der Hauptsache ist zuzustimmen. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist sie falsch.

1. Einwendungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren

Erhebt der Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren außergebührenrechtliche Einwendungen, ist gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG die Festsetzung abzulehnen. Nach allgemeiner Auffassung bedürfen solche außergebührenrechtlichen Einwendungen keiner Substantiierung und erst recht keiner Schlüssigkeit (s. LAG Frankfurt RVGreport 2016, 54 [Hansens]; OLG Koblenz RVGreport 2016, 56 [Ders.] = AGS 2016, 80; FG Münster RVGreport 2020, 52 [Ders.]; BVerfG RVGreport 2016, 252 [Ders.]). Die Auffassung des Bay. VGH (AGS 2021, 543 [Hansens] = zfs 2022,100 m. Anm. Hansens) der Einwand (hinsichtlich der Erfüllung der Vergütungsforderung) müsse "hinreichend substantiiert" sein, ist deshalb so nicht ganz richtig. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist lediglich zu prüfen, ob das tatsächliche Vorbringen des Antragsgegners – seine Richtigkeit unterstellt – den verfahrensgegenständlichen Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts in irgendeiner Weise beeinflussen kann. Hierzu ist es erforderlich, dass der Antragsgegner vorträgt, aus welchen konkreten Umständen er seine außergebührenrechtlichen Einwendungen herleitet. Deshalb hat er die tatsächlichen, auf die Besonderheiten des konkreten Falls bezogenen Umstände vorzutragen. Seine Einwendungen müssen mindestens im Ansatz erkennen lassen, dass der Vergütungsanspruch des den Antrag stellenden Rechtsanwalts aus materiell-rechtlichen Gründen unbegründet sein könnte (s. LAG Mainz RVGreport 2015, 135 [Hansens]: OLG Dresden RVGreport 2020, 293 [Ders.] = JurBüro 2021, 417).

Zutreffend hat das LAG Kiel ausgeführt, dass lediglich diejenigen Einwendungen unberücksichtigt bleiben, die nach dem Rechtsgedanken des Rechtsmissbrauchs "offensichtlich aus der Luft gegriffen" sind, sie somit haltlos sind und insbesondere ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt vorgebracht wurden (BVerfG, a.a.O.; Hansens, ZAP Fach 24, S. 1458).

2. Der Einwand der Schlechtvertretung

Diesen Anforderungen hat hier die Klägerin genügt. Sie hat nicht etwa lediglich vorgetragen, sie fühle sich von dem Rechtsanwalt X schlecht vertreten, was für eine Ablehnung der Vergütungsfestsetzung nicht ausreichen würde. Sie hat den Einwand der Schlechtvertretung auf konkrete Tatsachen gestützt, nämlich darauf, dass der Rechtsanwalt seinen anwaltlichen Beratungs- und Informationspflichten während der Wahrnehmung des Mandats nicht nachgekommen sei und dass möglicherweise ein Interessenkonflikt bestehe, zu dem sich Rechtsanwalt X trotz mehrfacher Bitten nicht geäußert habe. Dies kann – seine Richtigkeit unterstellt – zu einem Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin führen, den die Klägerin der Vergütungsforderung im Wege der Aufrechnung entgegenhalten kann (s. auch OLG Dresden RVGreport 2020, 293 [Hansens]).

Demgegenüber ist ein auf anwaltliche Schlechtvertretung gestützter Einwand im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG dann nicht zu berücksichtigen und führt deshalb auch nicht zur Ablehnung der Festsetzung, wenn er unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt berechtigt ist oder er offensichtlich aus der Luft gegriffen ist (OLG Frankfurt RVGreport 2006, 303 [Hansens]; OLG Saarbrücken RVGreport 2009, 214 [Ders.]) oder er rechtsmissbräuchlich ist (BVerfG RVGreport 2016, 253 [Ders.]). So genügt etwa allein der Einwand des im Vergütungsfestsetzungsverfahren in Anspruch genommenen Mandanten "ich fühle mich schlecht vertreten" (s. OLG München Rpfleger 1997, 407) ebenso wenig wie das Vorbringen "es werde Schlechterfüllung geltend gemacht" (LAG Düsseldorf JurBüro 1992, 680 m. abl. Anm. Mümmler). Auch der ohne Tatsachenvortrag vorgebrachte Einwand "es werde die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen geltend gemacht" (s. OLG München JurBüro 2011, 32 = AGS 2012, 74), führt nicht zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung.

3. "Soweit"

Auch ein auf die Schlechtvertretung gestützter Einwand führt nur zur Ablehnung der Festsetzung, "soweit" der Einwand reicht (s. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG). Zwar liegt in dem Einwand der Schlechtvertretung oder Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages die entweder ausdrücklich oder in der Praxis meist stillschweigend vorgebrachte Behauptung, dem Antragsgegner sei ein Schadensersatzanspruch aus positiver Verletzung des Anwaltsdienstvertrages erwachsen, mit dem er gegen den geltend gemachten Vergütungsanspruch aufrechne (s. OLG Köln JurBüro 1980, 1179 = AnwBl 1980, 155). Deshalb muss der Antragsgegner vortragen, worin der ihm durch die behauptete Schlechtvertretung entstandene Schaden besteht und wie hoch er ungefähr sei. Vorliegend hatte die Klägerin geltend gemacht, sie habe für die weitere Vertretung in ihrem Kündigungsschutzprozess einen anderen Rechtsanwalt beauftragen müssen. Hieraus folgt das stillschweigende Vorbringen, dass sie diesem Rechtsanwalt auch die gesetzliche Vergütung zahlen muss.

Ob die Klägerin auch vorgebracht hat, die dem neuen Anwalt zu zahle...

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