§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG; Nrn. 2300, 3101 VV RVG

Leitsatz

  1. Soweit zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bezüglich des Kindes- und Trennungsunterhalt, nachehelichen Unterhalts, Zugewinnausgleichs und der gemeinsamen Immobilie der Parteien bereits ein Anwaltsvertrag zur gerichtlichen Vertretung im anhängigen Scheidungsverfahren bestanden hat, besteht kein Raum für die Geltendmachung einer Geschäftsgebühr für weitere, nicht rechtshängige Ansprüche, wenn es sich nicht um eine Erweiterung des bereits erteilten Prozessauftrages handelt.
  2. Der Bitte eines Mandanten um eine "außergerichtliche Einigung" kann ohne Weiteres keine isolierte außergerichtliche Beauftragung des Anwalts entnommen werden.
  3. Einer bloßen Erweiterung des Prozessauftrages um die nicht rechtshängigen Themen steht es nicht entgegen, wenn in dem Termin des Scheidungsverfahrens nicht über die Einigung verhandelt, sondern außerhalb des Gerichtssaals eine Einigung herbeigeführt wird.

LG Bonn, Urt. v. 13.5.2022 – 5 S 21/22

I. Sachverhalt

Nachdem der Beklagten der Scheidungsantrag ihres Ehemannes zugestellt worden war, beauftragte sie die klagende Anwaltskanzlei mit ihrer Vertretung in diesem Verfahren. Später beauftragte die Beklagte die Klägerin, auch den Kindes- und Trennungsunterhalt, den nachehelichen Unterhalt, den Zugewinnausgleich und die Auseinandersetzung der gemeinsamen Immobilie mit der Gegenseite zu regeln. Die Beklagte erklärte hierzu ausdrücklich, dass sie die Sache nicht streitig vor Gericht ausfechten wolle; die Klägerin solle vielmehr insoweit versuchen, mit dem Ehemann eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, die man dann im Scheidungstermin protokollieren könne. So geschah es dann auch. Die Anwälte der Beteiligten fanden eine Lösung, die als Einigung im Scheidungstermin protokolliert wurde. Das Gericht setzte sodann die Werte wie folgt fest:

 
 
Ehesache 33.598,00 EUR
Versorgungsausgleich 5.158,80 EUR
Gesamt 38.756,80 EUR
   
Vergleichsmehrwert  
Zugewinnausgleich 60.000,00 EUR
Ehegattenunterhalt 6.000,00 EUR
Kindesunterhalt 8.328,00 EUR
Immobilie 10.000,00 EUR
Gesamt 84.328,00 EUR

Ausgehend hiervon rechnete die Klägerin wie folgt ab, wobei sei die Mehrwerte außergerichtlich etwas geringer ansetzte als das Gericht:

 

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. 2,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV 2.496,00 EUR
  (Wert: 62.469,23 EUR)    
2. Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.516,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   478,04 EUR
  Gesamt 2.994,04 EUR

II. Gerichtliche Tätigkeit

 
1. 1,3-Verfahrenswert, Nr. 3100 VV 1.316,90 EUR
  (Wert: 38.756,80 EUR)    
2. 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV 1.134,40 EUR
  (Wert: 84.328,00 EUR)    
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, – 936,00 EUR
  0,65 aus 62.469,23 EUR    
4. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 1.905,60 EUR
  (Wert: 123.084,80 EUR)    
5. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1003, 1000 VV 354,00 EUR  
  (Wert: 8.598,00 EUR)    
6. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV 2.127,00 EUR  
  (Wert: 84.328,00 EUR)    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG 2.127,00 EUR
  nicht mehr als    
  1,5 aus 92.926,00 EUR    
7. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 5.567,90 EUR  
8. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 1.057,90 EUR
  Gesamt 6.625,80 EUR
  Gesamt I. + II. 9.619,84 EUR

Hierauf sind von der Beklagten unstreitig gezahlt worden:

 
 
  – 2.530,54 EUR
  – 1.822,37 EUR
  – 3.048,30 EUR
Gesamt – 7.401,21 EUR

Die Beklagte weigerte sich, weitere Kosten zu zahlen. Sie war der Auffassung, dass sie eine gesonderte außergerichtliche Vertretung nicht beauftragt habe.

Die Klägerin klagte daraufhin auf Zahlung der restlichen Vergütung i.H.v. 2.218,64 EUR. Das AG hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung hin hat das LG die Klage abgewiesen.

II. Die Entscheidung des Gerichts

1. Kein weitergehender Anspruch

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 2.218,64 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die anwaltliche Vertretung der Beklagten i.V.m. §§ 2 ff. RVG.

Insgesamt stand der Klägerin ein Vergütungsanspruch i.H.v. 7.279,23 EUR zu, welcher durch die unstreitig bereits erfolgte Zahlung i.H.v. insgesamt 7.401,21 EUR vollständig erloschen ist, § 362 Abs. 1 BGB.

2. Vergütung Scheidungsverfahren

Der Vergütungsanspruch der Klägerin für das Ehescheidungsverfahren belief sich auf insgesamt 7.279,23 EUR und berechnet sich – unangegriffen – wie folgt:

 
 
1. 1,3-Verfahrenswert, Nr. 3100 VV 1.316,90 EUR  
  (Wert: 38.756,80 EUR)    
2. 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV 1.134,40 EUR  
  (Wert: 84.328,00 EUR)    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG 2.064,40 EUR
  nicht mehr als    
  1,3 aus 123.084,80 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 1.905,60 EUR
  (Wert: 123.084,80 EUR)    
4. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1003, 1000 VV 354,00 EUR  
  (Wert: 5.158,80 EUR)    
5. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV 2.127,00 EUR  
  (Wert: 84.328,00 EUR)    
  gem. § 15 Abs. 3 RVG 2.127,00 EUR
  nicht mehr als    
  1,5 aus 89.486,80 EUR    
6. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 6.117,00 EUR  
7. 19 % Umsa...

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