Im Strafverfahren kann – wie oben unter I. 1. beschrieben – Beratungshilfe nur bis zum Eingang der Anklage bei Gericht bewilligt werden. Hier liegt folglich eine klare Abgrenzung vor, die (s.o.) auch Lücken aufweist, nämlich dann, wenn einem bedürftigen Rechtsuchenden gerade kein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wird. Diese Lücke wurde aber (s.o.) bewusst in Kauf genommen. Hier ist zu sagen: Wer sich nicht rechtzeitig um Rechtsrat kümmert, hat verloren. Insoweit besteht – wie üblich – z.B. im polizeilichen Anhörungsverfahren genügend Raum, sich anwaltlich beraten zu lassen. Beratungshilfe hat nicht zum Ziel, ein gerichtliches Verfahren in Gang zu setzen oder gar vorzubereiten. Daher ist Beratungshilfe im Vorfeld von Klagen oder Verfahren, deren "Zielsetzung" bereits auf Gerichtskurs münden, nicht möglich.[16]

So ist allgemein anerkannt: Beratungshilfe scheidet aus, wenn eine prozessuale Handlung in dieser Sache ansteht. Legt der Rechtsuchende eine bereits unterzeichnete Strafprozessvollmacht vor, ist genau zu prüfen, ob Beratungshilfe überhaupt noch in Betracht kommt oder ob bereits eine Vertretung im Verfahren besteht, weil im Wege der Beratungshilfe nur Beratung möglich ist (§ 2 Abs. 2 BerHG).[17] Will der Rechtsuchende zudem augenscheinlich keine außergerichtliche Einigung anstreben, kommt Beratungshilfe nicht in Betracht (da Zielsetzung: Vermeidung gerichtlicher Verfahren! BT-Drucks 8/3311, 11: Die Beratungshilfe "soll jedoch nicht zur Aufgabe haben, das gerichtliche Verfahren selbst in Gang zu setzen oder während eines gerichtlichen Verfahrens – auch soweit dort heute noch kein gesetzlicher Anspruch auf PKH besteht – dem Rechtsuchenden eine rechtliche Hilfestellung zu geben.").

I.Ü. zählt die Einlegung einer Berufung im Strafverfahren hingegen zweifelsfrei noch zur Instanz, sodass hier im Falle des Beispiels 2 niemals Beratungshilfe in Betracht käme, denn eine Berufung einzulegen (die von der Instanz abgedeckt ist), macht erst dann Sinn, wenn man das Urteil und die Erfolgsaussichten "besprochen" hat.

[16] Lindemann/Trenk-Hinterberger, BerHG, 1. Aufl., 1992, § 1 Rn 9.
[17] S. auch Lindemann/Trenk-Hinterberger, a.a.O.; LG Braunschweig, Beschl. v. 8.1.1984 – 8 T 501/84, n.v.

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