Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und war ab März 2016 als Wahlverteidiger für einen Herrn H. tätig. Am 13.7.2016 bestellte das LG den Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger. Am 20.10.2016 wurde ein mit dem Beschwerdeführer in einer Partnerschaftsgesellschaft verbundener Rechtsanwalt als weiterer Pflichtverteidiger bestellt. Nach 71 Sitzungstagen verurteilte das LG Herrn H. am 24.1.2018 wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwölf Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Beschwerdeführer beantragte zunächst im Januar 2019 die Festsetzung einer Pauschgebühr für das Vorverfahren und die Hauptverhandlung i.H.v. 104.672,97 EUR (brutto). Zur Begründung führte er aus, die Pflichtvergütung reiche wegen des Umfangs und der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht aus. Der Bezirksrevisor hat hierzu Stellung genommen und eine Pauschgebühr für das Vorverfahren und die Hauptverhandlung i.H.v. insgesamt 41.000,00 EUR für angemessen angesehen. Hiervon seien die Pflichtverteidigergebühren i.H.v. 38.201,00 EUR (davon 685,00 EUR für das Vorverfahren) abzuziehen, sodass ein überschießender Betrag von 2.799,00 EUR verbleibe. Die Wahlanwaltsgebühren für das gesamte Verfahren betragen 84.962,50 EUR, die Mittelgebühren 47.226,25 EUR.

Das KG hat den Antrag des Beschwerdeführers vollständig zurückgewiesen. Das hat es u.a. damit begründet, dass das Ermittlungsverfahren den Beschwerdeführer zwar stark beansprucht habe und die Hauptverhandlung schwierig gewesen sei. Diese Umstände seien indes kompensiert durch gesetzlich vorgesehene erhöhte Gebühren für Schwurgerichtsverfahren, eine Belastungsverringerung durch den zweiten Pflichtverteidiger und die Möglichkeit der Bearbeitung weiterer Mandate. Bei einer Gesamtschau liege daher ein unzumutbares Sonderopfer nicht vor.

Dagegen hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der VerfGH Berlin hat der Verfassungsbeschwerde durch Beschluss v. 22.4.2020 stattgegeben. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die unzureichende Vergütung des Rechtsanwalts im Vorverfahren einen Eingriff in die Berufsfreiheit als Rechtsanwalt darstelle. Eine Kompensation des erhöhten Aufwandes im Vorverfahren im Wege einer Gesamtschau käme zwar grds, nicht aber im vorliegenden Verfahren in Betracht, da das Hauptverfahren weder unterdurchschnittlich schwierig noch unterdurchschnittlich umfangreich gewesen sei (wegen weiterer Einzelheiten VerfGH Berlin, Beschl. v. 22.4.2020 – 177/19, RVGreport 2020, 299 = StRR Sonderausgabe 11/2020, 10).

Der Bezirksrevisor hat sodann eine ergänzende Stellungnahme abgegeben und dabei im Wesentlichen an seiner ersten Stellungnahme festgehalten. Die Bewilligung einer Pauschgebühr für das Vorverfahren sei nur im Bereich des Vierfachen der Gebühren (gemeint sind offenbar die Pflichtverteidigergebühren i.H.v. 685,00 EUR) angemessen. Der Rechtsanwalt hat nunmehr eine Pauschgebühr nur für das Vorverfahren i.H.v. 25.000,00 EUR beantragt. Das KG hat für das Vorverfahren eine Pauschgebühr i.H.v. 812,50 EUR, 127,50 EUR mehr als die bereits bewilligten Gebühren i.H.v. 685,00 EUR, bewilligt. Es hat nun zwar die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 S. 1 RVG nach erneuter Prüfung bejaht. Für die Frage der Angemessenheit der Vergütung sei eine Gesamtschau der im Vorverfahren und im Hauptverfahren erworbenen Gebührenansprüche vorzunehmen. In Rahmen einer solchen Gesamtbetrachtung verbleibe ein nicht kompensierter Zeitaufwand für die aufwändigere Tätigkeit des Beschwerdeführers im Vorverfahren. Es sei aber nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer im Vorverfahren in außergewöhnlichem Umfang beansprucht und seine Arbeitskraft überwiegend gebunden gewesen sei. Die Vernehmungen des Mandanten als Zeuge in anderen Verfahren seien keine verfahrensbezogene Tätigkeit und dürften daher nicht berücksichtigt werden. Die Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG sei zwar der Höhe nach nicht beschränkt. Die Höchstgebühr des Wahlanwalts bilde jedoch regelmäßig die obere Grenze für die Pauschgebühr des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts. Nur in Ausnahmefällen käme eine Überschreitung dieser Grenze in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben.

Dagegen hat der Pflichtverteidiger erneut Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt, dass sich das KG über die Bindungswirkung des Beschlusses des VerfGH v. 22.4.2020 hinweggesetzt habe. An die in diesem Beschluss getroffenen Feststellungen sei das KG gem. § 30 Abs. 1 VerfGHG gebunden. Die Bindungswirkung erfasse nicht nur den Tenor, sondern auch die die Entscheidung tragenden Gründe. Auch diese zweite Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

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