Das LG hat eine niedrigere Vergütung festgesetzt, als in der angegriffenen Entscheidung festgesetzt worden ist.

1. Verfahren AZ 37 Ds – 61 Js 419/19 – 46/19 – acht Fälle des Ladendiebstahls

a) Festgesetzte Gebühren

Für dieses Verfahren hat das LG eine Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV festgesetzt. Weitere Gebühren seien nicht festzusetzen. Insbesondere sei die Gebühr 4104 VV nicht, auch nicht in einem Fall, festzusetzen. Die Gebühr entstehe für eine Tätigkeit in dem Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei dem Gericht. Eine derartige Tätigkeit des Rechtsanwalt vor Eingang der Anklage sei in keinem der von ihm in seiner Abrechnung gebildeten neun "Fälle" glaubhaft gemacht.

b) Fehlende Glaubhaftmachung

Der Rechtsanwalt, der die Festsetzung im Rahmen der Beiordnung als Pflichtverteidiger entstandener Kosten beantragt, habe die Tatsachen, die die Verwirklichung eines Gebührentatbestand ergeben, schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 55 Abs. 5 S. 1 RVG i.V.m. § 104 Abs. 2 ZPO (vgl. auch etwa AG Koblenz, Beschl. v. 7.7.2006 – 40 UR IIa 142/06). Glaubhaft gemacht seien die behaupteten Voraussetzungen eines Kostentatbestandes, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben seien (vgl. BGH NJW 2003, 3558). Für die durch das Gericht zu treffende Wahrscheinlichkeitsfeststellung gelte dabei der Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 294 Rn 6 m.w.N.). Die Entscheidung darüber, ob eine Tatsache glaubhaft gemacht sei oder nicht, sei ein Akt wertender richterlicher Erkenntnis (BGH NJW-RR 2007, 776).

Nach diesen Maßstäben habe der Rechtsanwalt – so das LG – die tatsächlichen Voraussetzungen für den Anfall einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV für das Verfahren 37 Ds – 61 Js 419/19 – 46/19 nicht glaubhaft gemacht. Dabei könne dahinstehen, ob es sich dabei – wie vom Rechtsanwalt angenommen – kostenrechtlich ursprünglich um neun Rechtsfälle oder – wie vom AG und der Bezirksrevisorin angenommen – um lediglich einen Rechtsfall i.S.d. Nrn. 4100 ff. VV handelte. Denn die Voraussetzungen für die Entstehung der Gebühr nach Nr. 4104 VV seien für keinen einzigen Fall glaubhaft gemacht.

Gemäß § 294 ZPO könne sich derjenige, der eine Behauptung glaubhaft zu machen hat, aller Beweismittel bedienen und auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Der Rechtsanwalt habe sich keines förmlichen Beweismittels bedient und auch keine Versicherung an Eides statt abgegeben. Er habe seinen Tatsachenvortrag hinsichtlich der Voraussetzungen für die Entstehung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV vielmehr ausschließlich anwaltlich versichert. Die anwaltliche Versicherung werde zwar zum Teil grds. ebenfalls als zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung angesehen (Zöller/Greger, a.a.O., Rn 5 m.w.N.). Jedenfalls im Rahmen der Kostenfestsetzung folge nach allgemeiner Meinung aber im Umkehrschluss aus § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO, dass die bloße anwaltliche Versicherung nicht – jedenfalls nicht zwangsläufig – ausreichend (statt vieler: OLG Köln NStZ-RR 2014, 64 m. zahlr. w.N. = RVGreport 2014, 105; Mayer/Kroiß/Kießling, RVG, 7. Aufl., § 55 Rn 30; Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Teil A: Festsetzung gegen die Staatskasse [§ 55]). Insbesondere wenn das Vorhandensein objektiver Mittel der Glaubhaftmachung für den Fall der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen zu erwarten wäre, solche aber nicht vorgelegt werden, sei die anwaltliche Versicherung von allenfalls geringem Wert.

Vor diesem Hintergrund hat die Kammer den vom Rechtsanwalt zur Begründung der Gebühr nach Nr. 4104 VV geschilderten Sachverhalt nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zutreffend erachtet, weil zahlreiche Umstände dagegen sprechen. Gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit des geschilderten Sachverhalts spreche zunächst und insbesondere, dass der Rechtsanwalt sich bis zur Erhebung der Anklage im polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hat. Dieser Umstand sei mit der Behauptung, er habe eine jede der neun durch die Polizei mit einem eigenen Aktenzeichen versehenen Taten jeweils mehrfach telefonisch und nachhaltig mit der Mandantin erörtert, kaum in Einklang zu bringen. Denn wie eine mehrfache und nachhaltige Erörterung sachgerecht erfolgen könne, ohne dass der Verteidiger sich über die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Einblick in die Ermittlungsunterlagen verschafft und erwartbar vorhandene Zeugenaussagen studiert, ist bereits fraglich. Dies gilt umso mehr, als der Verteidiger in der Akte selbst mehrfach betone, dass seine Mandantin sich aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit nicht immer zuverlässig an Sachverhalte erinnern könne bzw. die Kommunikation mit ihr schwierig sei.

Soweit der Rechtsanwalt in diesem Zusammenhang stets darauf verweist, die vom Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeit müsse sich nicht zwingend aus der Gerichtsakte e...

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