a) Überblick

Für die Abrechnung mit dem Auftraggeber gilt zunächst einmal § 15a Abs. 1 RVG:

Zitat

§ 15a Anrechnung einer Gebühr

(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

(2) (…)

Der Gesetzgeber hat mit dem § 15a Abs. 1 RVG klargestellt, dass Gebühren, die aufeinander anzurechnen sind, zunächst einmal völlig unabhängig voneinander selbstständig entstehen, und zwar in voller Höhe.

Ist zunächst eine Gebühr entstanden und entsteht später eine weitere Gebühr, auf die die erste Gebühr anzurechnen ist, dann führt dies also entgegen der früheren Rspr. des BGH nicht dazu, dass die zweite Gebühr nur in verminderter Höhe, nämlich um den Anrechnungsbetrag reduziert, entsteht; vielmehr entsteht die zweite Gebühr zunächst einmal in voller Höhe und kann unbeschadet einer Anrechnung geltend gemacht werden.

Der Anwalt kann und muss dann nach § 15a Abs. 1 RVG frei wählen, welche der aufeinander anzurechnenden Gebühren er in voller Höhe einfordert und welche vermindert. Er kann selbstverständlich nicht beide Gebühren unvermindert einfordern.

b) Grundfall

 

Beispiel 1: Grundfall

Der Anwalt hatte nach einem Gegenstandswert von 8.000,00 EUR eine 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) verdient und anschließend im gerichtlichen Verfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV).

Nach § 15a Abs. 1 RVG entstehen diese beiden Gebühren zunächst einmal unabhängig voneinander. Insgesamt kann allerdings nicht mehr beansprucht werden als der um die Anrechnung gekürzte Betrag. Insgesamt steht dem Anwalt also zu: 1,3 + 1,3 – 0,65 = 1,95.

Fordert der Anwalt die Geschäftsgebühr in voller Höhe ein, dann darf er von der Verfahrensgebühr lediglich noch 0,65 verlangen.

 
I. Außergerichtliche Vertretung    
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,79 EUR
  Gesamt   800,39 EUR
II. Gerichtliches Verfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 326,30 EUR
  0,65 aus 8.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 948,70 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   180,25 EUR
  Gesamt   1.128,95 EUR
  Gesamt I. + II.   1.929,34 EUR

Fordert er dagegen die Verfahrensgebühr in voller Höhe ein, dann verringert sich die Geschäftsgebühr um 0,65, sodass er insoweit lediglich noch restliche 0,65 verlangen kann.

 
I. Gerichtliches Verfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.275,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   242,25 EUR
  Gesamt 1.517,25 EUR
II. Außergerichtliche Vertretung    
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 326,30 EUR
  0,65 aus 8.000,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 346,20 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   65,80 EUR
  Gesamt 412,10 EUR
  Gesamt I. + II. 1.929,35 EUR

Das Gesamtergebnis ist in beiden Fällen dasselbe. Auf das Gesamtergebnis hat es also keinen Einfluss, welche Gebühr auf welche angerechnet wird.

Das Wahlrecht des Anwalts lässt sich anschaulich an folgender Grafik darstellen:

Aus der Selbstständigkeit der beiden Gebühren folgt, dass der Anwalt an sich beide Gebühren auch gesondert ungekürzt in Rechnung stellen kann. Soweit die eine Gebühr gezahlt wird, erlischt die andere damit in Höhe des Anrechnungsbetrages. Insoweit müsste dann die zweite Rechnung teilweise wieder storniert werden. Um diesen Buchhaltungsaufwand zu vermeiden, sollte der Anwalt sich von Vornherein überlegen, welche Gebühr er in voller Höhe geltend macht und wo er die Anrechnung berücksichtigt. Dies erspart es ihm, später Gutschriften zu erteilen oder Rechnungen stornieren zu müssen.

Zweckmäßig wird es sein, wie bisher, die zuerst entstandene Gebühr in voller Höhe abzurechnen und die Anrechnung dann bei der zeitlich nachfolgenden Gebühr zu berücksichtigen. Dies macht die Abrechnung übersichtlicher. Zudem kann der Anwalt die zuerst entstandene Gebühr, die früher fällig wird (§ 8 Abs. 1 RVG), auch früher abrechnen. Abgesehen davon steht bei Fälligkeit der ersten Gebühr häufig auch noch gar nicht fest, ob und inwieweit es zu einer zweiten Gebühr und damit zu einer Anrechnung kommen wird.

c) 1,5-Gebühr

 

Beispiel 2: Anrechnung

Der Anwalt hatte nach einem Gegenstandswert von 8.000,00 EUR eine 1,5-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) verdient und anschließend im gerichtlichen Verfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV).

Anzurechnen sind jetzt nicht 0,65, sondern 0,75.

 
I. Außergerichtliche Vertretung   ...

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