ZPO § 3; GKG § 48 Abs. 2 S. 1

Leitsatz

Im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen ist der Beschwerdewert nicht nach § 48 Abs. 2 S. 1 GKG zu bestimmen, sondern gem. § 3 ZPO mit rund einem Drittel des Hauptsachestreitwerts anzusetzen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03).

OLG München, Beschl. v. 28.5.2010–5 W 1403/10

Sachverhalt

Die Beklagten hatten durch ihre Prozessbevollmächtigten beantragt, den Sachverständigen S. aus Gründen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Diesen Antrag hat das LG zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Beklagten sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen.

Den Beschwerdewert hat das Gericht nach § 3 ZPO auf rund ein Drittel des Hauptsachestreitwertes festgesetzt.

Aus den Gründen

Der Beschwerdewert ist nach § 3 ZPO auf rund ein Drittel des Hauptsachestreitwertes von 660.595,26 EUR festzusetzen (BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03, AGS 2004, 159 m. w. Nachw.; Prütting/Gehrlein/Gehle, ZPO, 2. Aufl., § 3 Rn 31). Der Gegenauffassung, die Festsetzung richte sich nach § 48 Abs. 2 S. 1 GKG, weil es sich bei der Ablehnung des Sachverständigen um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handele (Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl. § 3 "Ablehnung"), ist mit dem BGH (a.a.O.) nicht zu folgen, weil es sich bei der Entscheidung nach § 406 Abs. 4 u. 5 ZPO nicht um eine eigenständige Streitigkeit, sondern eine das Verfahren betreffende Entscheidung im Rahmen des Rechtsstreits handelt, der keine selbstständige Bedeutung zukommt. Bemisst sich somit der Beschwerdewert nach § 3 ZPO nach dem Interesse an der begehrten Entscheidung, ist dieses nicht mit dem Hauptsachestreitwert gleichzusetzen (a.A. Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 46 Rn 2; § 3 Rn 7), sondern nur mit einem Bruchteil von etwa einem Drittel, weil dies der eingeschränkten Bedeutung und Rolle des Sachverständigen im Prozess entspricht: Sein Gutachten bestimmt nicht allein den Ausgang des Verfahrens, sondern dient dem Gericht lediglich als Entscheidungshilfe, indem es ihm die für die Entscheidung notwendigen Fachkenntnisse vermittelt; das Gericht wiederum ist an die Meinung des Sachverständigen nicht gebunden (BGH a.a.O.)

Anmerkung

I. Zur Festsetzung

Das Gericht hat den Beschwerdewert nach § 3 ZPO festgesetzt.

Zunächst einmal fragt es sich, wie das Gericht überhaupt zu einer Wertfestsetzung kommt. Eines Beschwerdewertes bedarf es nicht, da die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Sachverständigen immer zulässig ist und keine Mindestbeschwer erforderlich ist.

Eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG kam hier auch nicht in Betracht, weil weder im Ablehnungsverfahren noch im Beschwerdeverfahren wertabhängige Gerichtsgebühren erhoben werden. Im Ablehnungsverfahren selbst fallen keine Gerichtsgebühren an. Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr nach Nr. 1812 GKG-KostVerz. erhoben.

Lediglich die Anwaltsgebühren berechnen sich nach dem Wert, nämlich im Beschwerdeverfahren (Nr. 3500 VV) und im Ablehnungsverfahren, wenn der Anwalt ausschließlich mit der Ablehnung beauftragt worden ist (Nr. 3304 VV).

Das Gericht übersieht jedoch, dass eine Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren nur auf Antrag erfolgen darf, nämlich im Verfahren nach § 33 RVG. Eine Festsetzung von Amts wegen ist unzulässig.

Da hier ein Antrag nicht gestellt war, durfte folglich auch kein Wert festgesetzt werden.

II. Zur Höhe des Wertes:

Das Gericht stellt auf § 3 ZPO ab. Zu dieser Vorschrift gelangt man aber gar nicht.

Unmittelbar ist § 3 ZPO nicht anwendbar, weil weder eine Festsetzung des Zuständigkeits- noch des Beschwerdewertes erfolgt.

Auch über § 48 Abs. 1 S. 1 GKG ist § 3 ZPO nicht anwendbar, weil keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen.

Für die Anwaltsgebühren käme die Anwendung des § 3 ZPO über § 23 Abs. 1 S. 2 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG zwar grundsätzlich in Betracht. Hier greift jedoch die Sonderregelung des § 23 Abs. 2 S. 1 RVG, der für Beschwerdeverfahren eine eigenständige Regelung für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren enthält. Danach ist der Wert unter Berücksichtigung der Interessen des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bestimmen. § 23 Abs. 3 S. 2 RVG wiederum sieht ebenfalls vor, dass der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen ist und in Ermangelung genügender Anhaltspunkte für eine Schätzung bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen mit 4.000,00 EUR, wobei nach Lage des Falles der Wert höher oder niedriger festgesetzt werden kann.

Im Rahmen dieser Billigkeitsfestsetzung können dann durchaus die Kriterien des § 3 ZPO entsprechend herangezogen werden, so dass die Entscheidung im Ergebnis zutreffend ist, auch wenn sie verfahrenswidrig ergangen und auf eine falsche Rechtsgrundlage gestellt worden ist.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge