Durch die jüngste Anpassung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch[7] wurde der Bereich des sog. Schonvermögens zum 1.1.2023 angepasst. Der Begriff der "kleineren Barbeträge" wurde deutlich erhöht, was u.U. aus Sicht der Bestimmungen der PKH noch eher zu verstehen sein wird als aus der Sicht der Beratungshilfe, die nur selten Auseinandersetzungen höheren Streitwertes kennt. Gem. § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 SGB XII hat der Rechtsuchende zur Bestreitung anfallender Rechtsanwalts- bzw. Gerichtskosten neben seinem Einkommen sein gesamtes Vermögen einzusetzen. Vorhandenes Vermögen kann jedoch nur dann eingesetzt werden, soweit dieses durch Veräußerung, Belastung oder Beleihung oder auf andere Weise in flüssige Geldmittel umgesetzt werden kann. Was als Vermögen zu betrachten ist, wird durch die Verweisung auf § 90 SGB XII deutlich. Eine eigene Definition in § 115 ZPO hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Gem. § 115 Abs. 3 ZPO ist § 90 SGB XII entsprechend anzuwenden. Die Prüfung des Begriffs "Vermögen" erfolgt daher anhand der sozialrechtlichen Vorschriften. Der Rechtspfleger ist im Beratungshilfeverfahren aber nicht zwingend an die sozialrechtliche Auslegung der Begriffe gebunden.[8] Angesichts der jüngsten Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erscheint ein Abweichen von diesen Normen auch in Anbetracht der Konzeption des BerHG angebracht. Die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch listet nunmehr einen "kleineren Barbetrag" von 10.000,00 EUR als Schonvermögen aus. Hält man sich "strikt" an diese Normen würde das bedeuten, dass Rechtsuchende mit einem geringen Einkommen, aber doch recht hohem Sparvermögen in den Genuss der Beratungshilfe kommen könnten, ohne ihr Angespartes antasten zu müssen. Dies erscheint angesichts der häufig niedrigen Gebühren, wie sie in Beratungshilfe-Streitfällen vorzufinden sein werden, unangemessen, denn auch bei einem Einsatz eigener Vermögenswerte dürfte der Rechtsichende nicht ernsthaft in Gefahr geraten, dem überwiegenden Sparanteil verlustig zu werden. Folglich sollte ein Einsatz eigenen Vermögens – hier z.B. Sparguthaben – auch abweichend der Bestimmungen des § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 SGB XII dann in Betracht zu ziehen sein, wenn sich der Vermögenswert schnell realisieren lässt und bei Einsatz der Grundstock des Guthabens nicht in Verlustgefahr gerät. Gem. § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Hierzu zählen vom Grundsatz her alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Gutscheine, Forderungen, Nutzungsrechte (z.B. Fischereirecht), Rechte aus Wechseln, Aktien oder Gesellschaftsanteilen sowie sonstige Vermögensrechte (z.B. Urheberrechte, Erfinderrechte, Anwartschaftsrechte). Sie müssen in Geld schätzbar sein und eine gewisse Wertbeständigkeit aufweisen. Verfügbar ist das Vermögen jedoch nur dann, wenn die Umsetzung in flüssige Geldmittel in angemessener zumutbarer Zeitspanne und damit kurzfristig erfolgen kann[9] oder zu einem annehmbaren Preis tatsächlich veräußerbar ist.

Auch ein anderer Aspekt spricht dagegen, einen Schonbetrag von 10.000,00 EUR als "kleineren Barbetrag" vom Einsatz bei der Beratungshilfe auszunehmen. Gem. der "Konzeption" soll Beratungshilfe ein letzter Rettungsanker für diejenigen sein, die wirklich über kein Vermögen oder Einkommen verfügen. Bargeld, Guthaben oder sonstige Geldwerte sind grds. einzusetzendes Vermögen. Dem Rechtsuchenden muss jedoch eine bestimmte Menge an Barmitteln, der sog. Notgroschen (kleinerer Barbetrag), belassen werden. Die Regelungen des § 90 Abs. 2 SGB XII sollen gewährleisten, dass es durch die Bewilligung von Beratungshilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensumstände kommt. Dem Rechtsuchenden und seiner Familie soll ein angemessener Bewegungsspielraum verbleiben. Daher darf die Bewilligung von Beratungshilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögenswertes abhängig gemacht werden, soweit dies für den Rechtsuchenden und seine Familie eine Härte bedeuten würde, § 90 Abs. 3 SGB XII. 10.000,00 EUR aber als "Notgroschen" zu bezeichnen, dürfte auch in der derzeitigen Lage gewagt sein. Ein Großteil der Bundesbürger dürfte nicht über ein solches Sparvermögen besitzen. Tatsächlich dürften nach Studien[10] 7 Millionen Verbraucherhaushalte tendenziell eher verschuldet sein. Die Bestimmung läuft Gefahr, ad absurdum zu führen.

Auch aus anderen Blickwinkeln heraus, erscheint die Anwendbarkeit der Durchführungsverordnung ungerecht oder zu falschen Ergebnissen zu führen, wie folgende Konstellationen aufzeigen sollen.

[7] Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 11.2.1988 (BGBl I, 150), die zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16.12.2022 (BGBl I, 2328) geändert worden ist.
[8] Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 75.
[9] Schultzky, in: Zöller, a.a.O., § 115 Rn 55.
[10...

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