Nr. 4142 VV RVG

Leitsatz

Zum (verneinten) Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV, wenn aus der Akte keine Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Einziehung ersichtlich sind.

LG Magdeburg, Beschl. v. 4.2.2022 – 25 Qs 2/22

I. Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Beschuldigten Anklage wegen Unterschlagung eines E-Mountainbikes im Wert von 4.500,00 EUR erhoben. Wegen dieser Tat ist der Beschuldigte durch das AG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Weder die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft noch die Anklage der Staatsanwaltschaft Magdeburg noch das Urteil des AG enthalten Ausführungen hinsichtlich der Einziehung des Werts von Taterträgen i.S.d. §§ 73 ff. StGB.

Der Pflichtverteidiger des Angeklagten hat im Rahmen der Vergütungsfestsetzung auch eine Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV geltend gemacht, die damit begründet wurde, dass eine Erörterung der drohenden Einziehung des Werts des Erlangten über 4.500,00 EUR in der Hauptverhandlung mit dem Mandanten stattgefunden habe. Das AG hat die Gebühr nicht festgesetzt. Zur Begründung der Absetzung hat es ausgeführt, dass weder aus der Anklage noch dem weiteren Schriftverkehr bzw. der Hauptverhandlung erkennbar sei, dass die Einziehung von Wertersatz Gegenstand des Verfahrens gewesen sei.

Dagegen hat sich der Pflichtverteidiger mit seinem Rechtsmittel gewandt, das er damit begründet, dass er den Vorwurf aus der Anklageschrift samt dem dort zugrunde gelegten Wert des E-Mountainbikes i.H.v. 4.500,00 EUR mit dem Mandanten erörtert habe. Seine Tätigkeit im Hinblick auf die beantragte Gebühr gem. Nr. 4142 VV habe somit in der Besprechung mit dem Mandanten bestanden, dass im Falle einer Verurteilung auch die Einziehung des angeblichen genannten Betrages zu seinem Nachteil in Betracht komme. Die Einziehung des Erlangten i.H.d. in der Anklageschrift bezifferten Betrages sei nicht nur problemlos möglich gewesen, sondern sogar überwiegend wahrscheinlich. Diesbezüglich habe er den Mandanten vorab bei der Strategie bei einer Einlassung hinweisen müssen. Die Tätigkeiten des Verteidigers müssten sich insbesondere nicht aus den Akten ergeben. Auf den Umfang der vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten komme es nicht an, da es sich bei der zusätzlichen Gebühr um eine Wertgebühr handle, sodass zum Beispiel im Revisionsverfahren die Erhebung der allgemeinen Sachrüge ausreiche, weil sie das Revisionsgericht zwinge, sich auch mit den Fragen der Einziehung zu befassen. Eine zusätzliche Gebühr werde auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Dass dann ggfs. anschließend der Rechtsanwalt keine nach außen sichtbare Handlungen vornehme, stehe dem Entstehen der Gebühr nicht entgegen. Das AG hat die Sache dem LG vorgelegt. Das Rechtsmittel hatte dort keinen Erfolg.

II. Keine Tätigkeiten im Hinblick auf Einziehung erbracht

Nach Ansicht des LG hat das AG die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV zu Recht nicht festgesetzt. Auch die von dem Rechtsanwalt beigefügten Entscheidungen änderten daran nichts, dass eine Verfahrenslage, wie vom Verteidiger beschrieben, im vorliegenden Fall gerade nicht vorgelegen habe. Weder die Abschlussverfügung noch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hätten in irgendeiner Form eine zu treffende Einziehungsentscheidung gem. §§ 73 ff. StGB erwähnt. Auch sei im Rahmen der Hauptverhandlung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls in keiner Hinsicht eine etwaige Einziehung erörtert worden. Anders als in der Entscheidung des LG Kiel v. 12.2.2007 (StraFo 2007, 307) liege hier ein Antrag in der Anklageschrift hinsichtlich der Einziehung von beschlagnahmten Gegenständen gerade nicht vor. Auch sei beim AG, anders als im Rahmen der Entscheidung des LG Essen v. 2.6.2006 (AGS 2006, 501 = RVGreport 2007, 465), die Einziehung in der Hauptverhandlung gerade nicht zur Sprache gekommen. Des Weiteren liege es, anders als im Rahmen der Entscheidung des KG v. 18.7.2005 (AGS 2005, 550 = RVGreport 2005, 390 = RVGprofessionell 2005, 177), hier gerade nicht so, dass der Verteidiger durch seinen Einsatz eine von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht beabsichtigte Einziehung ganz oder teilweise verhindert hat. Hier habe es keinerlei Anlass gegeben, mit dem Mandanten eine Einziehung zu erörtern, da ersichtlich weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft die Einziehung beabsichtigt hätten.

III. Bedeutung für die Praxis

In meinen Augen mal wieder: Pure Ignoranz des LG bzw. offenbar hatte der entscheidende Einzelrichter auch keine Lust, sich mit aktuellerer Rspr. als aus den Jahren 2005–2007 zu befassen. Denn: Hätte das LG das getan, hätte es unschwer erkannt, dass die amtsgerichtliche Entscheidung falsch war und die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV hätte festgesetzt werden müssen. Man ist es leid und es ärgert einen, dass man immer wieder auf dieselben Fehler hinweisen muss, die bei der Gebühr Nr. 4142 VV gemacht werden. Für diese Gebühr kommt es nämlich – und das mag das LG bitte zur Kenntnis nehmen – nun nicht darauf an, was sich Staatsanwaltschaft und/oder AG gedacht haben Sondern: Allein maßgeblich ist, ob eine Beratung des Mandanten durch den Verteid...

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