1. Ohne genauere Aktenkenntnis wird man nicht abschließend beurteilen können, ob die Entscheidung, mit der der BGH seine bisherige Rspr. zum neuen § 144 StPO bekräftigt/fortsetzt, zutreffend ist. Nach den mitgeteilten Umständen spricht allerdings viel dafür. Zumal es darauf ankommen dürfte, ob ggfs. mach "altem" Recht ein weiterer Pflichtverteidiger hätte bestellt werden müssen. Denn die gesetzliche Regelung des § 144 StPO ist nicht neu, sondern setzt nur die alte Rspr. der Obergerichte um (vgl. zu allem Hillenbrand, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn 3570 ff. m.w.N.). I.Ü. zeigt die Entscheidung deutlich, dass sich zu § 144 StPO eine Kasuistik entwickeln wird.

2. Allerdings: Zu leichtem Stirnrunzeln führt bei mir die Feststellung des BGH, wonach die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung nicht "Gegner" des Angeklagten sei. In der Praxis dürfte dann doch eher das Gegenteil der Fall sein.

3. Und: Der BGH weist darauf hin, dass erstrebte Beiordnung von Rechtsanwalt S. als Sicherungsverteidiger selbst dann nicht in Betracht käme, wenn die Notwendigkeit der Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers gem. § 144 Abs. 1 StPO zu bejahen wäre. Denn Rechtsanwalt S. stand für die vom OLG Stuttgart anberaumten Verhandlungstage nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung, weil er auch noch als Verteidiger in einem Umfangsverfahren vor dem OLG Düsseldorf tätig ist, zu dem es Terminsüberschneidungen gab. Mir erschließt sich nicht, warum man dann mit diesem Verteidiger in die Schlacht um den zweiten Pflichtverteidiger zieht.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 7/2022, S. 327 - 329

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