1. Die Entscheidung ist falsch. Sie reiht sich nahtlos ein in die Reihe der falschen Entscheidungen in der oberlandesgerichtlichen Rspr. zu dieser Problematik (vgl. zuletzt OLG Stuttgart AGS 2021, 171). Man kann zu der Problematik schreiben, was man will, und diese Rspr. kritisieren. Es interessiert nicht, sondern es wird weiter von falschen Entscheidungen anderer OLG abgeschrieben.

2. So auch vom OLG Celle. Das Einzige, was an dessen Entscheidung richtig ist, ist die Anwendung der Grundsätze zur Rücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft vor deren Begründung auf die hier erfolgte Rücknahme der Revision des Angeklagten im Verhältnis zum Nebenkläger. Alles andere ist unzutreffend. Denn:

Natürlich ist die Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV durch die Tätigkeiten des Beistands nach Revisionseinlegung durch den Angeklagten entstanden. Das OLG verwechselt die Frage nach dem Anfall der Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV mit der Frage der Erstattungsfähigkeit dieser Gebühr. Nur zur Erinnerung für das OLG: Es handelt sich um eine Verfahrensgebühr, für die Vorbem. 4 Abs. 2 VV gilt. Sie entsteht also bei jeder Tätigkeit des Rechtsanwalts. Die hier erbrachten Tätigkeiten sind auch nicht etwa durch die Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren nach Nr. 4112 VV mit abgegolten. Es handelt sich nämlich nicht nur um reine "Nachbereitung", für die man das ggf. annehmen könnte, sondern die Tätigkeiten gehen darüber hinaus. Denn die Beratung zu der Frage, ob die Nebenklägerin "die beabsichtigte therapeutische Behandlung im Hinblick auf eine mögliche Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer erneuten gerichtlichen Zeugenvernehmung aufschieben solle", ist im Hinblick auf eine nicht ausgeschlossene Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und eine Neuverhandlung der Sache mit erneuter Einvernahme einer dann ggf. teiltherapierten Zeugin für diese und auch für die Beweiswürdigung von erheblicher Bedeutung. Das ist mehr als nur als "Darstellung des im Falle einer Revisionseinlegung allgemein zu erwartenden weiteren Verfahrensablaufs anzusehen", was auch einem OLG einleuchten sollte. Und damit wird auch mehr als nur "ein subjektives Beratungsbedürfnis" gestillt. Dass es sich um objektive Beratung handelt, zeigt gerade dieser Fall, bei dem es um eine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung ging und das Verhalten der Nebenklägerin für einen zweiten Durchgang von erheblicher Bedeutung ist/gewesen wäre

3. Abschließend: Ich frage mich bei diesen Entscheidungen immer, was die OLG eigentlich davon abhält, ihre falsche Rspr. aufzugeben. Eine Erklärung dafür findet man nicht. Außer, dass ein "verständiger Rechtsanwalt" nach Auffassung der OLG offenbar ohne Gebühren tätig werden soll. Aber: Verteidigung/Vertretung zum Null-Tarif gibt es nicht, obwohl sich das sicherlich viele OLG und Bezirksrevisoren wünschen.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 7/2021, S. 306 - 308

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