Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3-8 RVG an sich statthafte, gem. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin ist auch mit Rücksicht auf den Beschwerdewert des § 33 Abs. 3 S. 1 RVG (hier: 304,04 EUR) und daher insgesamt zulässig. In der Sache selbst bleibt sie ohne Erfolg.

1. Im Hinblick darauf, dass mit nicht angegriffener Wertfestsetzung vom 29.3.2012 der Wert für das Verfahren auf 1.500,00 EUR, der Mehrwert für den Vergleich auf 3.000,00 EUR festgesetzt worden ist, liegt hier die Konstellation des sogenannten "Mehrvergleichs" vor. Für diese Konstellation ist in Rspr. und Lit. umstritten, welche Gebühren der beigeordnete Rechtsanwalt aus der Staatskasse erstattet verlangen kann.

2. a) Gem. § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit – zweifelsfrei angefallener – Gebühren aus der Landeskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses. Dabei unterliegt es zunächst keinem Zweifel, dass das Gericht berechtigt ist, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also die Verfahrens- und die Einigungsgebühr) zu erstrecken (OLG Köln [4. Zivilsenat], Beschl. v. 12.7.2007 – 4 WF 117/07 = AGS 2008, 65; vgl. weiter OLG Köln [27. Zivilsenat], Beschl. v. 12.11.2012 – 27 WF 171/12; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.2.2012 – 15 WF 437/11 = FamRZ 2012, 1416 = NJW 2012, 1523 [= AGS 2012, 404]; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl. 2012, § 48 Rn 120; AnwK-RVG/Fölsch/Schnapp/N. Schneider, 6. Aufl. 2012, § 48 Rn 11).

Es liegt nahe, eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe "für das Verfahren und den Vergleich" regelmäßig dahingehend auszulegen, dass mit ihr alle entstandenen Gebühren abgedeckt und mithin von der Landeskasse zu erstatten sind (a.A. OLG Köln [12. Zivilsenat], Beschl. v. 1.3.2012 – 12 WF 29/12 = MDR 2012, 1193 [= AGS 2012, 581]). Hierfür spricht, dass für den sachlichen Umfang der Bewilligung die objektive Sicht der – rechtskundigen – Verfahrensbeteiligten maßgeblich ist (vgl. OLG Schleswig a.a.O.), die einer Bewilligung "für den Vergleich" gerade keine Einschränkung entnehmen werden. Hierfür spricht weiter die gebotene weitgehende Gleichbehandlung der mittellosen mit der bemittelten Partei hinsichtlich der anwaltlichen Beratung und Vertretung (hierzu vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 114 Rn 1 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des BVerfG). Würde die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nur auf die höhere Einigungsgebühr erstreckt, hätte der Mandant Verfahrens(differenz)gebühr und eine gegebenenfalls entstandene Terminsgebühr zu tragen; er ist aber mittellos. Die Beschränkung auf die Einigungsgebühr würde daher in vielen Fällen die – auch aus verfahrensökonomischer Sicht wünschenswerte – Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche verhindern.

Im vorliegenden Fall tritt aber hinzu, dass die Abteilungsrichterin im Beschl. v. 4.9.2012 dargelegt hat, es sei nach dem Terminsprotokoll davon auszugehen, dass der Gegenstand des sogenannten Mehrvergleichs mit den Beteiligten erörtert worden sei und es bestehe kein Grund zu einer einschränkenden Auslegung der Verfahrenskostenhilfebewilligung. Hieraus ergibt sich, dass die Abteilungsrichterin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf alle angefallenen Gebühren erstrecken wollte.

Es ist anerkannt, dass die Verfahrensgebühr als Betriebsgebühr mit der Entstehung einer Einigungsgebühr unlösbar verbunden, die Entstehung einer Einigungsgebühr ohne Verfahrensgebühr nicht möglich ist (OLG München, Beschl. v. 18.3.2009 – 11 WF 812/09, FamRZ 2009, 1779 = NJW-RR 2009, 1367 [= AGS 2009, 503]). Im vorliegenden Fall ist aber auch die Terminsgebühr entsprechend Vorbem. 3 Abs. 3 VV durch die Erörterung nicht rechtshängiger Ansprüche entstanden. Beide Gebühren sind daher von der Verfahrenskostenhilfebewilligung erfasst.

b) Gegen die Erstattungsfähigkeit von Verfahrens- und gegebenenfalls Terminsgebühr wird vorgebracht, die vorliegende Konstellation sei mit einer im Erörterungstermin im PKH-Verfahren erzielten Einigung der Parteien (hinsichtlich des nicht rechtshängigen Anspruchs) vergleichbar, für welchen der BGH (Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03, BGHZ 159, 263 = NJW 2004, 2595 = FamRZ 2004, 1708 [= AGS 2004, 292]) entschieden hat, dass dort nur eine Einigungsgebühr erstattungsfähig sei. Das sei im Falle des Mehrvergleichs ebenso zu sehen (so: OLG Köln [12. Zivilsenat], Beschl. v. 1.3.2012 – 12 WF 29/12, MDR 2012, 1193 [= AGS 2012, 581]; OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2012 – 25 W 23/12, AGS 2012, 479; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.3.2011 – 4 W 42/10, FamRZ 2011, 1605; OLG Celle, Beschl. v. 21.1.2011 – 10 WF 6/11, FamRZ 2011, 835 [= AGS 2011, 551]).

Dem folgt der erkennende Senat nicht. Von der Situation des § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO unterscheidet sich di...

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