Das LG ist dagegen zu Recht davon ausgegangen, dass die Verhandlungen mit den Kaufinteressenten und die Korrespondenz mit den Spielhallenvermietern nicht jeweils gesondert in Höhe von insgesamt 38.789,64 EUR abgerechnet werden konnten; vielmehr lag insgesamt lediglich eine abrechnungsfähige Angelegenheit i.S.d. § 13 Abs. 1 BRAGO vor, die entsprechend der Darlegung des LG wie folgt abzurechnen war:

 
Praxis-Beispiel

Gegenstandswert: 500.000,00 EUR

 
Geschäftsgebühr (10/10) 2.996,00 EUR
Besprechungsgebühr (10/10) 2.996,00 EUR
Pauschale 20,00 EUR
netto 6.012,00 EUR
einschl. 16 % Ust. 6.973,92 EUR
zuzüglich  
Fahrkosten 831,60 EUR
Abwesenheitsgeld 217,00 EUR
netto 1.048,60 EUR
einschl. 16 % Ust. 1.216,38 EUR
zuzüglich  
verauslagte Rechnung der Steuerberater K. & Partner 2.307,89 EUR
d.h. insgesamt 10.498,19 EUR

Unter einer gebührenrechtlichen "Angelegenheit" i.S.d. § 13 Abs. 1 BRAGO bzw. des inhaltsgleichen § 15 RVG ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Um dieselbe Angelegenheit annehmen zu können, müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  einheitlicher Auftrag,
  gleicher Rahmen der Anspruchsverfolgung,
  innerer objektiver Zusammenhang zwischen den Gegenständen,

d.h. Vorliegen eines einheitlichen Lebensvorgangs (AnwK-RVG/Schneider § 15 Rn 22 ff.; Gerold/Schmidt/Mayer RVG § 15 Rn 5 ff.; Göttlich/Mümmler RVG, 4. Aufl. 2012, § 15 Rn 1; Mayer/Kroiß/Winkler RVG, 5. Aufl. 2012, § 15 Rn 2 ff.).

Insofern mussten zwar im Zuge der vom Beklagten übernommenen anwaltlichen Tätigkeit durchaus unterschiedliche Lebenssachverhalte bewältigt werden (z.B. Auseinandersetzung im Erbscheinverfahren; Auseinandersetzung mit dem Testamentsvollstrecker; Auseinandersetzung mit der Wohnungsverwaltungsgesellschaft; Hausverbot / Aufhebung des Wohnrechts in Bezug auf Frau …, die als unterschiedliche Angelegenheit anzusehen waren.

Hinsichtlich der in den Nachlass fallenden Anteile an der C GmbH lautete der an den Beklagten gerichtete Auftrag – wie die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Senat erläuterte – indessen lediglich pauschal dahingehend, "die Spielhallen zu verkaufen".

Die sich daraus ergebende Konstellation, dass ein Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandaten mit mehreren Verhandlungspartnern über eine Kaufsache verhandelt, wird im Schrifttum teilweise stets als nur eine Angelegenheit angesehen (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 9. Aufl. 2005, § 15 Rn 22). Teilweise wird aber auch explizit von mehreren Angelegenheiten ausgegangen (Gerold/Schmidt/Mayer RVG § 15 Rn 58; AnwK-RVG/Schneider RVG § 15 Rn 35).

In der Rspr. wurde in dem vergleichbaren Fall, dass wegen eines Grundstückskaufvertrages mit mehreren Personen verhandelt wird, von mehreren Angelegenheiten ausgegangen (OLG Frankfurt – 1. Zivilsenat – NJW-RR 2005, 284). Umgekehrt wurde aber auch entschieden, dass nur von einer Angelegenheit auszugehen sei, unabhängig davon, mit vielen Personen verhandelt werde (OLG Frankfurt – 9. Zivilsenat – OLGR 2007, 35).

Nach Auffassung des Senats ist für die Frage, ob es sich um eine oder mehrere Angelegenheiten i.S.d. gesetzlichen Gebührenvorschriften handelt, nicht auf die Vielschichtigkeit der anwaltlichen Tätigkeiten abzustellen, sondern auf den Inhalt der vereinbarten Geschäftsbesorgung, die der Tätigkeit des Rechtsanwalts den auftragstypischen Rahmen verleiht. Solange sich der Anwalt innerhalb dieses Rahmens bewegt, betreffen alle seine Tätigkeiten, mögen sie auch vielzählig, vielgestaltig und zeitaufwändig sein und sich auf verschiedene rechtliche Gegenstände beziehen, dieselbe Angelegenheit (OLG Frankfurt, Urt. v. 8.7.2010 – 26 U 11/09).

Das entspricht der Rspr. des BGH: Auch nach ihr ist durch Auslegung des dem Anwalt erteilten Auftrags zu ermitteln, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen. So kann die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger eine Angelegenheit darstellen, wenn die anwaltliche Tätigkeit gleichgerichtet ist und wenn die Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (BGH NJW 2010, 3035). Sofern allerdings die Reaktionen der Schädiger nicht einheitlich ausfallen und deshalb eine differenzierte Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erfordern, können aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen (BGH NJW 2011, 155 [= AGS 2010, 590]). In diesem Sinne können "differenzierte" Verhandlungen mit mehreren Personen und unterschiedlichen Verhandlungsergebnissen als mehrere Angelegenheit anzusehen sein (BGH NJW 2005, 2927 [= AGS 2007, 65]).

Selbst wenn man aber vorliegend den Verhandlungen mit den einzelnen Kaufinteressenten und der Korrespondenz mit den Vermietern einen solchen Differenzierungsgrad beimessen wollte, bliebe zu bedenken, dass ein Rechtsanwalt bei einer von ihm gewünschten Gebührenaufsplittung den Mandaten über diese entsprechend kostenintensive Vorgehensweise aufzuklären hat (BGH NJW 2004, 1043 [= AGS 2004, 145]...

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