FGG-ReformG Art. 111 Abs. 4; FamGKG § 50; FamFG §§ 80 ff.

Leitsatz

  1. Die Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG findet Anwendung auf Verfahren, die vor dem 1.9.2009 ausgesetzt und nach dem 1.9.2009 vom AG entschieden werden.
  2. Die Anwendung des neuen materiellen Rechts und Verfahrensrechts ist unabhängig von dem jeweils erreichten Verfahrensstadium. Entscheidend ist der Status eines abgetrennten Verfahrens.
  3. Für den Versorgungsausgleich ist auch dann ein Verfahrenswert anzusetzen, wenn kein Ausgleich stattfindet.
  4. Der Verfahrenswert richtet sich in abgetrennten Verfahren nach dem dreifachen Nettoeinkommen bei Einreichung der Scheidung.
  5. Zur Kostenentscheidung bei unzulässigem Rechtsmittel.

OLG Jena, Beschl. v. 7.6.2010–1 UF 82/10

Sachverhalt

Die beteiligten Eheleute wurden durch das angefochtene Urteil vom 26.3.1996 geschieden; das AG hat den Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 26.3.1996 gem. § 628 ZPO ausgesetzt und am 11.8.2008 wieder aufgenommen.

Das AG hat mit Beschluss vom 21.1.2010 den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Dagegen hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8.2.2010 Beschwerde eingereicht und am 11.3.2010 wieder zurückgenommen.

Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland hat am 25.2.2010 befristete Beschwerde beim OLG eingelegt.

Der Senat hat mit Verfügung darauf hingewiesen, dass auf das vorliegende Verfahren das seit dem 1.9.2009 geltende Recht anzuwenden sei, da das Verfahren zwar vor dem 1.9.2009 wieder aufgenommen, aber nach dem 1.9.2009 entschieden worden sei. Die Beschwerde sei unzulässig, da diese entgegen § 64 Abs. 1 FamFG nicht beim erstinstanzlichen Gericht (AG), sondern beim Beschwerdegericht (OLG) eingelegt worden sei. Da die angefochtene Entscheidung am 1.2.2010 zugestellt worden sei, habe eine fristgerechte Einlegung der Beschwerde bis zum 1.3.2010 beim AG erfolgen müssen. Der angefochtene Beschluss sei jedoch nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen. Der Senat hat weiter darauf hingewiesen, dass ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden müsse. Innerhalb dieser Frist sei auch die versäumte Einlegung der Beschwerde beim AG nachzuholen. Sei dies geschehen, könne Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen einer etwaigen Wiedereinsetzung werde auf §§ 17 ff. FamFG Bezug genommen.

Die Beschwerdeführerin geht demgegenüber davon aus, dass bei der Wiederaufnahme des ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahrens vor dem 1.9.2009 sich aus § 48 Abs. 2 VersAusglG die Anwendung des bis zum 31.8.2009 geltenden Rechts auch dann ergebe, wenn über den Versorgungsausgleich nach dem 31.8.2009 bzw. erstinstanzlich bis zum 31.8.2010 entschieden worden wäre. Die Anwendung des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG wäre in derartigen Fällen nicht angezeigt, weil dies dem vom Gesetzgeber mit der Änderung der Art. 111 FGG-RG durch Art. 22 VAStrRefG verfolgten Ziel der Gleichbehandlung der Rechtsanwendung bei materiellem und formellen Recht zuwider laufen würde (BT-Drucks16/11903, S. 61, 62).

Der Antragsteller schließt sich der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin an.

Aus den Gründen

Die Beschwerde ist unzulässig, da sie beim unzuständigen Gericht eingelegt wurde.

Gem. § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist das seit dem 1.9.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden, obwohl das Verfahren in erster Instanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist. Dies beruht darauf, dass das FamG die Folgesache Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund abgetrennt hat. Der Senat folgt insoweit der Auffassung, dass im Interesse der Rechtsklarheit und des Schutzes der Verfahrensbeteiligten davon auszugehen ist, dass die Anwendung des neuen Rechts bei abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren allein von der Anordnung der Abtrennung abhängt (vgl. Schürmann, Alte Versorgungsausgleichssachen und neues Verfahrensrecht, FamRZ 2009, 1800, 1801; Anmerkung Borth, FamRZ 2009, 1965, 1966; Borth, Versorgungsausgleich, 5. Auflage, Rn 147). Denn der eindeutige Wortlaut der Übergangsbestimmung des Art. 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG bietet keinen Spielraum für eine differenzierte Auslegung, bezogen etwa auf eine mit der Abtrennung verbundene größere Verzögerung der Erledigung oder ein Weiterbetreiben des Verfahrens erst nach Inkrafttreten des neuen Rechts (BT-Drucks 16/11903, S. 62).

Mit dem erweiterten Übergangsrecht verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, solche Verfahren sofort in das neue Recht zu überführen, die nach einem Verfahrensstillstand erst nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung wieder aktiv betrieben werden. Die Anwendung des neuen materiellen Rechts und Verfahrensrechts ist folglich völlig unabhängig vom jeweils erreichten Verfahrenstadium – entscheidend ist allein der Status eines abgetrennten Verfahrens (Schürmann, a.a.O.).

Darüber hinaus entspricht die Anwendung des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG auf das vorliegende abgetrennte Versorgungsausgleichsverfahren der den Übergangsbestimmungen zugrunde liegenden Absicht des Gesetzg...

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