Wie der Vertreter der Staatskasse in seiner Stellungnahme zutreffend ausführe, sei die Frage, ob Gebührenansprüche des Verteidigers entstanden seien, grds. von der Frage zu unterscheiden, ob diese auch von der Staatskasse zu erstatten seien. Hier habe jedoch eine Erstattung zu erfolgen, weil das Tätigwerden des Verteidigers im Rahmen des Berufungsverfahrens – entgegen der Ansicht des Vertreters der Staatskasse und des AG – "notwendiges Verteidigerhandeln" darstelle.

Soweit das AG auf einen Vergleich mit einem Wahlverteidiger abstelle und ausführe, dass der Pflichtverteidiger keine Erstattung verlangen könne, weil er ansonsten besser stehe als der Wahlverteidiger, der – aufgrund der vollständigen Kostentragung des Angeklagten bei Berufungsrücknahme – keinen Erstattungsanspruch habe, trage diese Argumentation nicht. Zum einen handele es sich um andere, nicht vergleichbare Konstellationen, zum anderen hätte sie zur Konsequenz, dass der Pflichtverteidiger in keinem Fall, in dem sein Mandant verurteilt werde und dementsprechend die Kosten zu tragen habe, eine Vergütung aus der Staatskasse verlangen könnte. Auch der Begründung des Vertreters der Staatskasse, dass sich schon aus der Rücknahme des Rechtsmittels ergebe, dass dessen Einlegung nicht notwendig gewesen sei, könne die Kammer nicht folgen.

Denkbar wäre – so das LG –, allenfalls die Notwendigkeit des Verteidigerhandelns nach der Berufungseinlegung dann zu verneinen, wenn die Berufungseinlegung allein vorsorglich für den Fall einer Einlegung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgt wäre. In einem solchen Fall könnte man – in Anlehnung an die bestehende und in der Erinnerung zitierte Rspr. des OLG Stuttgart (Beschl. v. 22.2.2021 – 2 Ws 246/20, AGS 2021, 171), wonach eine Verteidigertätigkeit auf ein allein von der Staatsanwaltschaft eingelegtes Rechtsmittel noch vor dessen Begründung nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig sei (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 464a Rn 10 m.w.N.) –, möglicherweise von einem nicht notwendigen Verteidigerhandeln ausgehen. Ob diese Rspr. auf eine solche Fallgestaltung übertragen werden kann, könne aber letztlich dahinstehen, da ein solcher Fall hier nicht vorliege. Der Verteidiger habe im Rahmen seiner Berufungseinlegung zwar ausgeführt, dass diese vor dem Hintergrund erfolge, dass man nicht wisse, ob das Urteil seitens der Staatsanwaltschaft akzeptiert werde. Er habe als weiteren Beweggrund aber auch den Umstand genannt, dass die Einlegung erfolge, um nochmals die Möglichkeit zu haben, sich mit seinem Mandanten zu besprechen. In der Folge habe er deutlich gemacht, dass er sich für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlege, erneut mit seinem Mandanten beraten und die Berufung dann ggf. zurücknehmen werde. Dass die Einlegung ausschließlich für den Fall einer Rechtsmitteleinlegung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgt sei, lasse sich dem gerade nicht entnehmen. Dass die eigene Berufung im Falle einer Nichteinlegung der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen werde, werde zwar als Möglichkeit in Aussicht gestellt, aber keineswegs verbindlich angekündigt.

Auch wenn das AG im erstinstanzlichen Verfahren im Wesentlichen dem Antrag der Verteidigung gefolgt sei, so lasse sich auch daraus nicht entnehmen, dass das Weiterverfolgen der eigenen Berufung (auch ohne gleichzeitige Einlegung der Staatsanwaltschaft) mit dem Ziel, eine für den Mandanten günstigere Entscheidung zu erwirken, von vornherein sinn- oder zwecklos wäre. Das AG habe den Angeklagten zwar – dem Antrag des Verteidigers folgend – zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und dabei auch die vom Verteidiger vorgeschlagenen Bewährungsauflagen übernommen, es sei aber auch über den Verteidigerantrag hinausgegangen, indem es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten ausgesprochen habe, während der Verteidiger eine solche von sieben Monaten beantragt hatte. Hinzu komme, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten ausweislich des Protokolls in der Hauptverhandlung zwar weitgehend, aber nicht vollumfänglich eingeräumt habe. Hinsichtlich einer der vier angeklagten Taten habe der Verteidiger zudem eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO angeregt, welcher die Staatsanwaltschaft entgegengetreten sei. Schließlich komme hinzu, dass nach Einlegung der Berufung wegen neuerlicher Straffälligkeit ein neues Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten geführt werde und für die Verteidigung nunmehr auch die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung im Falle der Weiterverfolgung der Berufung zu bedenken gewesen sei. Diese Thematik sei seitens des Verteidigers mit dem Vorsitzenden der Berufungskammer erörtert worden, wobei der Verteidiger dabei noch erklärt habe, dass er sich wegen dieses Umstandes zunächst an einer Berufungsrücknahme gehindert sehe und er die Angelegenheit nochmals mit seinem Mandanten besprechen wolle.

Angesichts dieser Umstände könne man nicht feststellen, dass die Einlegung der Berufung bzw. das weitere Tätigw...

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