Das OLG hat die besondere Schwierigkeit und auch den besonderen Umfang des zugrundeliegenden Verfahrens bejaht.

1. Besonderer Umfang des Verfahrens

a) Allgemeines

Nach Auffassung des OLG war das Verfahren nicht nur in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders schwierig, wozu das OLG allerdings nicht näher ausführt. Es habe sich vielmehr auch um ein besonders umfangreiches Verfahren gehandelt. Besonders umfangreich i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG sei eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer normalen Sache zu erbringen habe (u.a. OLG Dresden RVGreport 2020, 62 = StRR 4/2020, 34; OLG Celle StRR 2011, 240 = RVGreport 2011, 177). Als Vergleichsmaßstab seien dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfleger 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Celle StRR 2011, 240 = RVGreport 2011, 177; OLG Hamm JurBüro 1999, 194).

b) Kriterien im Einzelnen

Ein wichtiges Indiz sei zunächst der Aktenumfang. Dieser sei hier auch im Vergleich zu anderen Prozessen vor einer Wirtschaftskammer unter Berücksichtigung der Sonderbände und Beweismittelordner erhöht. Zwar habe sich die Anklage lediglich gegen drei Angeklagte gerichtet und lediglich 15 Seiten umfasst, was für eine Wirtschaftsstrafsache nicht überdurchschnittlich sei. Inhaltlich sei es aber um einen komplexen Sachverhalt – Firmenstrukturen, Verhältnisse einzelner Firmen zueinander, Unternehmensentwicklung – gegangen, was eine erhöhte Prozessstoffbearbeitung nahe lege. Auch sei vorliegend nicht von der effektiven Möglichkeit einer Unterstützung des Pflichtverteidiger bei der Einarbeitung durch die weiteren Verteidiger auszugehen, da der vorherige Verteidiger unmittelbar nach der Übernahme der Verteidigung durch den Antragsteller die Mandatsniederlegung mitgeteilt habe und nicht mehr in der Sache aufgetreten sei, und die weitere Verteidigerin erst etwa sieben Monate später hinzugekommen sei. Auch habe das frühzeitig in der Hauptverhandlung abgegebene Geständnis des Angeklagten eine umfassende Akteneinarbeitung sowie – wie von dem Antragsteller plausibel dargelegt – zeitlichen Aufwand zur Beratung hinsichtlich dieses – die Beweisaufnahme sodann verkürzenden – Geständnisses als Voraussetzung gehabt.

Auch die Anzahl von 10 Hauptverhandlungstagen sei für eine Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer nicht als überdurchschnittlich anzusehen. Zwar hätten einige Termine länger als fünf Stunden gedauert, dies sei jedoch durch die zusätzlichen Gebühren (Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123 VV) abgegolten. Die durchgeführten Selbstleseverfahren seien ebenfalls nicht gesondert zu berücksichtigen, da die Bearbeitung des Pressstoffes zur Vorbereitung der Hauptverhandlung und des Geständnisses ohnehin erforderlich gewesen sei.

Hinsichtlich des weiterhin in die Gesamtwürdigung einzustellenden haftbedingten Mehraufwandes – insbesondere in Form der Teilnahme an dem Haftbefehlsverkündungstermin sowie den Fahrten zu Haftbesuchen in der JVA – sei davon auszugehen, dass dieser im Wesentlichen durch die Zuschläge zu den Gebühren abgedeckt worden sei.

Der erforderliche Besprechungsaufwand könne nicht als überdurchschnittlich gewertet werden. Besprechungen gehören zu den üblichen Verteidigertätigkeiten und werden grds. durch die gesetzlichen Gebühren abgegolten. Erst wenn die Besprechungen mit dem Mandanten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten besonders zahlreich oder langwierig waren, ist dieser Umstand im Zuge der Pauschgebührenbewilligung zu berücksichtigen (OLG Hamm, Beschl. v. 4.5.2021 – III 5 RVGs 27/21). Dass der Besprechungsaufwand – auch unter Berücksichtigung eines Vorgespräches – hier einen solchen Umfang eingenommen habe, sei nicht ersichtlich.

2. Zumutbarkeit

Die Verweisung des Pflichtverteidigers auf die gesetzliche Pflichtverteidigergebühr sei diesem nicht zuzumuten. Die Voraussetzung der Unzumutbarkeit trete nach st. Rspr. des Senats neben die Voraussetzungen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sache (OLG Hamm, Beschl. v. 20.5.2019 – III-5 RVGs 8/19, RVGreport 2020, 137 und v. 26.6.2018 – 5 RVGs 53/18). Hierdurch solle der Ausnahmecharakter der Pauschgebühr hervorgehoben werden (dazu Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl., 2021, § 51 Rn 32). Die Pauschgebühr solle lediglich eine unzumutbare Benachteiligung des Verteidigers, der als Pflichtverteidiger tätig geworden ist, verhindern (st. Rspr., vgl. nur OLG Hamm, Beschl. v. 20.5.2019 – III-5 RVGs 8/19 m.w.N). Die Bewilligung einer Pauschgebühr komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (OLG Hamm, Beschl. v. 20.5.2019 – 5 RVGs 8/19, RVGreport 2020, 137 und v. 26.6.2018 – 5 RVGs 53/18). Ein solcher Ausnahmefall sei hier wegen der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfangs der Sache gegeben.

3. Bemessung der Pauschgebühr

Das OLG hat dann anstelle der entstandenen gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren i.H.v. 6.807,00 EUR eine Pauschgebühr ...

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