§ 8 BerHG; § 55 RVG

Leitsatz

  1. Wird eine Beratungshilfevergütung elektronisch eingereicht, ist die Vorlage des Original-Berechtigungsscheines in Papierform nicht mehr notwendig.
  2. Es genügt, wenn bei der elektronischen Einreichung der Berechtigungsschein eingescannt, das Original aber vom Rechtsanwalt entwertet und dies anwaltlich versichert wird.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.4.2022 – 12 W 25/22

I. Sachverhalt

Es wurden in einer rechtlichen Angelegenheit (Mietangelegenheit) Beratungshilfe bewilligt und ein Berechtigungsschein erteilt. Die Angelegenheit wurde sodann durch die Beratungsperson erledigt und die Vergütung i.H.v. 85,00 EUR zzgl. 25,50 EUR Erhöhungsgebühr für mehrere Auftraggeber sowie einer Einigungs- und Erledigungsgebühr i.H.v. 150,00 EUR sowie der Post- und Telekommunikationspauschale sowie der Umsatzsteuer, mithin insgesamt 333,80 EUR, elektronisch zur Abrechnung eingereicht. Der Urkundsbeamte wies den Vergütungsantrag mit der Begründung zurück, die Vorlage des Original-Berechtigungsscheines, also in Papierform, sei bei Abrechnung zwingend erforderlich. Dieselbe Auffassung vertrat auch die Vertreterin der Staatskasse. Ebenfalls blieb in Folge die eingelegte Erinnerung beim Amtsrichter erfolglos. Erst auf die zugelassene Beschwerde hin hob das LG Osnabrück die Zurückweisung auf und sprach der Beratungsperson die Vergütung zu. Die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheines in Papierform sei nicht notwendig. Eine weitere Beschwerde wurde zugelassen. Das OLG Oldenburg sah aber wie das LG Osnabrück keinen Selbstzweck bei der Vorlage des Originals. Vielmehr war das OLG Oldenburg ebenfalls der Ansicht, wonach es keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung des die Beratungsleistung erbringenden Rechtsanwaltes ist, dass der Beratungshilfeschein im Original eingereicht wird.

II. Keine normative Grundlage

Das OLG Oldenburg sieht keine generelle Vorlagepflicht eines Original-Berechtigungsscheines. Weder die Vorschriften des RVG zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen (§ 55 RVG), noch die Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder die Vorschriften der auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 11 BerHG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) enthalten eine Norm, die dem Rechtsanwalt ausdrücklich aufgeben würde, bei Antragstellung auf Festsetzung seiner Vergütung den ihm vom Rechtssuchenden überlassenen Berechtigungsschein an das ausstellende Gericht zurückzugeben. Lediglich aus dem Umstand, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei, wird gefolgert, dass ein erteilter Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorzulegen sei (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2020, 444, hier zit. aus juris Rn 9 m.entspr.N.). Es sei jedoch zweifelhaft, ob diese Anmerkung innerhalb des Formulars überhaupt eine Rechtsnorm darstelle.

III. Vorrang höheren Rechtes

Wenn der Anwalt seinen Vergütungsantrag als elektronisches Dokument einreiche, sei ihm dies nach § 12b S. 2 RVG, § 8 BerHG i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 1 FamFG ausdrücklich gestattet. Damit kommen gem. § 14 Abs. 2 S. 2 FamFG ergänzend die Vorschriften des § 130a ZPO zum elektronischen Dokument zur Anwendung, wonach auch die zu einem Antrag gehörenden Anlagen als elektronisches Dokument eingereicht werden können. Dem sei der Anwalt gerecht geworden, indem er eine eingescannte Abbildung des Originalberechtigungsscheins eingereicht habe unter Hinweis, das Original entwertet und vernichtet zu haben. Die BerHFV – sofern sie weitergehende Anforderungen enthalte – könne dabei die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer elektronischen Antragstellung nicht einschränken, sondern müsse hinter dem höherrangigen Gesetzesrecht zurückzutreten.

IV. Verlangen des Originals bei Erfordernis nur zur Glaubhaftmachung des Vergütungsanspruches

Grds. sei die Vorlage eines Original-Berechtigungsscheines denkbar. Dies erfordere aber einen konkreten Anlass bzw. ein entsprechendes Petitum, was kundzutun ist, und kann nur dann verlangt werden, wenn dies zur Glaubhaftmachung des vom Rechtsanwalt geltend gemachten Vergütungsanspruches gem. § 55 Abs. S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlich ist. Eine reine Zurückweisung, die sich nur auf das knappe, formale Fehlen des Originals reduziere, genüge insoweit nicht, insbesondere, wenn die Beratungsperson anwaltlich versichert, im Besitz des Originals zu sein und diesen zu entwerten. Nur zum Ausschluss eines denkbaren "Missbrauchs" jedoch sei das Petitum der Vorlage eines Originals nicht begründbar.

V. Bedeutung für die Praxis

Wie bereits das LG Osnabrück ist nun auch das OLG Oldenburg der Ansicht, wonach nicht grds. auf das Original eines Berechtigungsscheines bestanden werden kann, sofern der Vergütungsantrag in der Beratungshilfe elektronisch eingereicht werde. Ebenfalls dieser Ansicht war zuvor das OLG Saarbrücken (NJW-RR 2020, 444). Es zeichnet sich also eine Verfestigung obergeric...

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