Wie bereits das LG Osnabrück ist nun auch das OLG Oldenburg der Ansicht, wonach nicht grds. auf das Original eines Berechtigungsscheines bestanden werden kann, sofern der Vergütungsantrag in der Beratungshilfe elektronisch eingereicht werde. Ebenfalls dieser Ansicht war zuvor das OLG Saarbrücken (NJW-RR 2020, 444). Es zeichnet sich also eine Verfestigung obergerichtlicher Rspr. ab, die grds. keine generelle Notwendigkeit der Vorlage eines Originalberechtigungsscheines mehr sieht.

1. Streitthema

Immer wieder gibt der elektronische Rechtsverkehr und die damit verbundene Antragstellung Anlass zur Diskussion. Während für die Antragstellung der Beratungshilfe erst seit dem 1.8.2021 eine elektronische Antragstellung möglich wurde (s. Lissner, AGS 2021, 249), bestand die Möglichkeit der elektronischen Antragstellung für die Vergütung bereits länger (s. Lissner, RVGreport 2020, 2 m.w.N.). Immer wieder – und in der gerichtlichen Praxis dabei unterschiedlich beantwortet – stellt sich bei Nutzung der elektronischen Möglichkeiten dann die Frage, "und was ist mit dem Berechtigungsschein"?. Bisher wurde in der überwiegenden gerichtlichen Praxis nach wie vor die Vorlage eines Originals des Berechtigungsscheins bejaht (LG Ansbach, Beschl. v. 19.2.2019 – 1 T 199/19, n.v.; Klein, JurBüro 2001, 172, der aber offensichtlich sich dem Problem des elektronischen Rechtsverkehrs noch nicht stellen konnte). Begründet wird dies zum einen mit der Formulierung in § 1 Nr. 2 BerHFV, welche die Verwendung eines Formulars vorschreibt und dabei "die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheines" verlangt. Zum anderen wird dies aus Schutzzwecken heraus bisweilen gesehen. Die reine Möglichkeit – die nicht ausgeschlossen werden könne – und der dadurch notwendig werdende Schutz vor (denkbarem) Missbrauch (Zweitverwertung des Originals) würden eine Herausgabe stets rechtfertigen. Zudem bestünde mit der Geltendmachung der Vergütung auch kein berechtigtes Interesse der Beratungsperson mehr, den Schein zu behalten (so auch: BGH, Urt. v. 9.10.2008 – VII ZR 227/07 – allerdings nicht zur Beratungshilfe!).

2. Vertrauensbonus zugunsten des Rechtsanwaltes

Wie die Vorgängerinstanz sowie das OLG Saarbrücken auch, sieht das OLG Oldenburg diesen Schutzzweck dann nicht, wenn der beantragende Rechtsanwalt ausreichend plausibel dargelegt habe, dass ein solcher Missbrauch ausgeschlossen werden kann. In der Regel genügt daher die Kopie des Originals verbunden mit der Versicherung, das Original entwertet zu haben. Dann – so auch das OLG Oldenburg – sei ein Missbrauch i.d.R. ausgeschlossen und der Schutzzweck erreicht. Die Vorlage des Originals als "Selbstzweck" ist dann nicht mehr von Nöten. Einem Sicherheitsbedürfnis, welches letztlich hinter dem Verlangen auf Original steht, lässt sich in der Praxis bestmöglich minimieren. Insoweit ist ihm mit einer anwaltlichen Versicherung, das Original zu besitzen und zu entwerten, Genüge getan. Mit einer entsprechenden Versicherung und Kenntlichmachung durch den Rechtsanwalt und/oder in den (elektronischen) gerichtlichen Akten wäre dieser Zweck also wohl ebenfalls erreichbar. Folglich böten sich – auch im Rahmen der elektronischen Antragstellung – auch andere geeignete Mechanismen, die den Zweck greifbar machen.

3. Rechtsentwicklung

Die Lit. und Rspr. tendieren stringent dazu, auch auf die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheines bei der Vergütungsabrechnung verzichten zu können. Will der Gesetzgeber diesen durchsetzen, so muss er auch solche Unwägbarkeiten hinnehmen. Die BerFV sei insoweit "nachrangiges" Recht zugunsten der neu eingeführten Bestimmungen des elektronischen Rechtsverkehrs. Zudem wird in der aktuellen Entwicklung der Rspr. aufgezeigt, dass das Petitum nach der Vorlage eines Originals des Berechtigungsscheines gar keine gesetzliche im Sinne einer normativen Grundlage habe, sondern sich nur auf eine reine "Formulierungsvorschrift" zurückführen lasse.

4. Vorlage des Originals dann gerechtfertigt, wenn es zur Glaubhaftmachung des Gebührenanspruchs notwendig ist

Wie die Vorgängerinstanz auch, will das OLG Oldenburg den Anspruch auf Vorlage des Originals des Berechtigungsscheines aber keine generelle Absage erteilen. Sofern dies mit dem Verlangen nach Glaubhaftmachung des Gebührenanspruchs begründet werden könne, sei es tatrichterlich weiterhin legitim, dies zu verlangen – eben "im Einzelfall", aber nicht grundsätzlicher Natur.

Dipl.-RPfleger Stefan Lissner, Konstanz

AGS 6/2022, S. 282 - 284

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