§§ 1 Abs. 1, 66 GKG; Nr. 9006 GKG KV

Leitsatz

Auslagen für die Bereitstellung von Räumen für eine außerhäusige Sitzung am Ort des Gerichts stellen keine Auslagen i.S.v. Nr. 9006 GKG KV dar, wenn ursächlich für die Raumanmietung die Vorgabe ist, dass aufgrund coronabedingter Maßgaben eine Benutzung der im Gebäude des Gerichts zur Verfügung stehenden Gerichtssäle grundsätzlich nur noch mit eingeschränkter Personenzahl erfolgen darf, die zu erwartende Zahl der Beteiligten diese derzeit zugelassene Personenzahl überschreitet, ohne diese coronabedingte Beschränkung eine Sitzung im gerichtseigenen Sitzungssaal allerdings ohne Weiteres durchführbar wäre. Denn in diesem Fall ist die Notwendigkeit der Anmietung nicht durch eine außergewöhnlich große Anzahl von Personen bedingt, sondern resultiert aus der derzeit eingeschränkten Nutzbarkeit der im Gerichtsgebäude zur Verfügung stehenden Gerichtssäle.

OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.4.2022 – 7 KS 41/13

I. Sachverhalt

In dem vor dem OVG Lüneburg geführten Rechtsstreit ging es um die Anfechtung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses. Vor Durchführung der mündlichen Verhandlung erfragte der Senat von den Beteiligten die Anzahl der Teilnehmer an der Verhandlung. Inklusive der Beteiligten selbst nebst den Sachverständigen und den Sachbeiständen ergab sich eine Gesamtpersonenzahl aller Verfahrensbeteiligten von 22. Diese Anzahl lag über der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aufgrund der coronabedingten Vorgaben in den Sitzungssälen des OVG Lüneburg zulässigen Personenzahl. Die Gerichtsverwaltung mietete deshalb außerhalb des Gerichtsgebäudes einen Raum zur Durchführung der mündlichen Verhandlung an. Die hierfür angefallene Miete i.H.v. 428,15 EUR setzte die Kostenbeamtin in ihrem Kostenansatz gegen den Kläger zu 1 an. Auf die Erinnerung des Klägers zu 1 hat die Kostenbeamtin nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors der Erinnerung teilweise abgeholfen und den Kostenansatz hinsichtlich der beanstandeten Miete auf 214,08 EUR reduziert, der Erinnerung i.Ü. jedoch nicht abgeholfen und die Sache der Einzelrichterin des OVG Lüneburg vorgelegt. Die Einzelrichterin hat gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen. Der Senat hat auch der weitergehenden Erinnerung abgeholfen und den Kostenansatz insgesamt aufgehoben.

II. Auslagen bei Geschäften außerhalb der Gerichtsstelle

1. Gesetzliche Regelung

Zu den Gerichtskosten gehören gem. § 1 Abs. 1 S. 1 GKG die Gebühren und die Auslagen. Letztere sind in Teil 9 GKG KV aufgeführt. Die Kostenbeamtin hatte sich für den Ansatz der – später nur zur Hälfte angesetzten – Miete auf Nr. 9006 Nr. 1 GKG KV bezogen. Danach gehören zu den gerichtlichen Auslagen bei Geschäften außerhalb der Gerichtsstelle die den Gerichtspersonen aufgrund gesetzlicher Vorschrift gewährte Vergütung (Reisekosten, Auslagenersatz) und die Auslagen für die Bereitstellung von Räumen, die in voller Höhe angesetzt werden.

Nach Auffassung des OVG Lüneburg gehörten die Auslagen für die Anmietung eines Raumes durch die Gerichtsverwaltung zwecks Durchführung der Sitzung des Senats nicht zu diesen gerichtlichen Auslagen.

2. Geschäfte außerhalb der Gerichtsstelle

Nach den Ausführungen des OVG Lüneburg ist die Gerichtsstelle regelmäßig das Gerichtsgebäude. Hierunter falle aber auch jeder andere Raum, in dem üblicher Weise und regelmäßig Sitzungen des betreffenden Gerichts stattfinden (s. NK-GK/Volpert, 3. Aufl., 2021, Nr. 9006 GKG KV Rn 3 und NK-GK/H. Schneider, a.a.O., Nr. 2006 FamGKG KV Rn 2). Um einen anderen Ort als die Gerichtsstelle handelt es sich nach den weiteren Ausführungen des OVG Lüneburg dann, wenn "außerhäusige" Gerichtstage stattfinden. Gleiches gelte, wenn das Gericht Räumlichkeiten außerhalb des Gerichtsgebäudes vorübergehend nutze, etwa wenn Bauarbeiten die Nutzung des eigentlichen Gerichtssaales nicht möglich machen (NK-GK/H. Schneider, a.a.O.).

Nach Auffassung des OVG ist vorliegend eine vergleichbare Konstellation gegeben. Für die Anmietung des Raumes durch die Gerichtsverwaltung war die derzeitige Vorgabe ursächlich, dass aufgrund coronabedingter Maßgaben eine Benutzung der im Gebäude des OVG zur Verfügung stehenden Sitzungssäle grds. nur noch mit eingeschränkter Personenzahl erfolgen durfte. Somit sei es dem Senat regelmäßig nicht mehr möglich, ohne Anmietung eines auswärtigen Raumes durch die Gerichtsverwaltung Termine in Planfeststellungsverfahren durchzuführen, solange die coronabedingten Vorgaben nur noch eine eingeschränkte Benutzung des Sitzungssaals ermöglichten. Deshalb habe der Senat ebenso wie andere Spruchkörper des Senats für die Durchführung mündlicher Verhandlungen externe Räumlichkeiten in Anspruch nehmen müssen.

Dies beruhe jedoch nicht auf einer außergewöhnlich großen Anzahl von Personen, sondern resultiere aus der derzeit eingeschränkten Nutzbarkeit des im Gerichtsgebäude zur Verfügung stehenden Gerichtssaals.

Für die Anmietung der Räumlichkeit im vorliegenden Verfahren sei somit weder die hohe Anzahl der Teilnehmer noch das Fehlen eines im Gebäude des OVG Lüneburg in benöti...

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