§ 473 Abs. 4StPO

Leitsatz

Zur Berücksichtigung des Umfangs des Erfolges eines Rechtsmittels in den Fällen des Teilobsiegens, wenn im Rechtsmittelverfahren auch eine Einziehungsentscheidung entfällt.

OLG Dresden, Beschl. v. 14.3.2022 – 1 Ws 67/22

I. Sachverhalt

Das AG hat den Verurteilten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Außerdem wurde eine Einziehungsentscheidung über 3.685,00 EUR getroffen. Auf die Berufung des Verurteilten ist er vom LG zu einer Geldstrafe von (nur noch) 120 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt worden. Das LG hat eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO getroffen, dabei jedoch den Wegfall der Einziehungsentscheidung nicht berücksichtigt. Gegen die vom LG ausgeworfene Quote hat sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde gewendet. Diese hatte Erfolg.

II. Quotelung

Nach Auffassung des OLG ist die (grundsätzliche) Entscheidung des LG, von einem wesentlichen Erfolg des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels der Berufung auszugehen und eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO zu treffen, nachvollziehbar. Sie sei nicht zu beanstanden, da die amtsgerichtlich erkannte Bewährungsstrafe aufgehoben und stattdessen auf eine Geldstrafe erkannt wurde. Auch ohne den Wegfall der Einziehungsentscheidung habe die Berufung einen wesentlichen Teilerfolg erzielt.

Die sich anschließende Billigkeitsentscheidung des Gerichts sei jedoch – so das OLG – zu beanstanden. Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung komme es regelmäßig maßgeblich darauf an, ob der Rechtsmittelführer die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie so gelautet hätte, wie die auf das Rechtsmittel hin ergangene (MüKo StPO/Maier, § 473 Rn 173). Aus der Verfahrensakte sei ersichtlich, dass der Verurteilte die Entscheidung des LG i.Ü. nicht angegriffen hat. Daneben sei – als ebenso wesentliches Kriterium – der Umfang des Teilerfolgs zu berücksichtigen. Der Verurteilte habe nicht nur mit dem Rechtsfolgenausspruch zur Tat obsiegt, sondern auch in der Einziehungsentscheidung in der Hinsicht, als dass diese gänzlich entfallen sei. Aus den schriftlichen Urteilsgründen gehe aber nicht hervor, ob das LG diesen Aspekt in seiner Quotenentscheidung berücksichtigt habe.

Das AG habe den Verurteilten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, was einer Geldstrafe von 450 Tagessätzen entsprechen würde. Ausgehend von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten, wie sie das LG festgestellt habe, wäre der Verurteilte zu einer Geldstrafe von 4.500,00 EUR verurteilt worden. Hinzu käme der Verlust von 3.685,00 EUR aufgrund der Einziehungsentscheidung. In der Summe hätte den Angeklagten mithin ein Strafübel von 8.185,00 EUR getroffen. Aufgrund der landgerichtlichen Entscheidung treffe den Angeklagten nunmehr (noch) ein Strafübel von 1.200,00 EUR. Das nunmehr rechtskräftige Strafübel liege damit erheblich unter dem des amtsgerichtlichen Urteils, wenn von derselben Straftat ausgegangen würde. Die nunmehr zum Wegfall gebrachte Einziehungsentscheidung mache hiervon einen wesentlichen Teil aus und sei daher bei der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.

Das OLG hat deshalb – entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft – eine Kostenquotelung zwischen der Staatskasse und dem Angeklagten von 6/7 und 1/7 vorgenommen. Das spiegele das Obsiegen des Verurteilten in einem angemessenen Verhältnis wieder.

III. Bedeutung für die Praxis

Es gibt zwar den Spruch: "judex non calculat", aber manchmal muss das Gericht eben doch rechnen. Und das gilt besonders in den Fällen des Teilobsiegens in der Rechtsmittelinstanz. M.E. ist zutreffend, wenn das OLG hier das Gesamtstrafübel des AG unter Zugrundelegung einer "fiktiven" Geldstrafe hoch rechnet und das dann mit dem Strafübel des rechtskräftig gewordenen LG-Urteil vergleicht. Zutreffend ist es auch, wenn in diese Berechnung die Einziehungsentscheidung des AG miteinbezogen wird. Denn die Einziehung hat (auch) Strafcharakter und trifft den Verurteilten neben der Geldstrafe auch wirtschaftlich.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 6/2022, S. 273 - 274

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