Die Verfahren wegen der Verlängerung oder Aufhebung einer Freiheitsentziehung (§§ 425, 426 FamFG) oder einer Unterbringung (§§ 329, 330 ggf. i.V.m. § 167 FamFG) stellen gegenüber dem ursprünglichen Anordnungsverfahren gesonderte Angelegenheiten dar, für die der Anwalt auch eine gesonderte Vergütung erhält. Anrechnungsvorschriften bestehen nicht. Obwohl der Wortlaut von Nr. 6302 VV von "sonstigen Fällen" spricht, ist die Gebühr über die in der Anm. genannten Verfahren hinaus nicht anwendbar.

In den Verlängerungs- oder Aufhebungsverfahren entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6302 VV und eine Terminsgebühr nach Nr. 6303 VV. Es handelt sich jeweils um Betragsrahmengebühren mit einem Gebührenrahmen von 22 bis 330 EUR (Mittelgebühr: 176 EUR). Für den gerichtlich bestellten Anwalt betragen die Gebühren jeweils 141 EUR.

Die Gebühren entstehen für jeden Rechtszug gesondert (Anm. zu Nr. 6302 VV), sodass sie erneut anfallen, wenn es wegen der Verlängerung oder Aufhebung der Maßnahme zu einem Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt. Ebenso entstehen die Gebühren gesondert, wenn mehrere Verfahren wegen der Verlängerung oder Aufhebung eingeleitet werden,[12] auch wenn sie sich auf dieselbe ursprüngliche Anordnung beziehen. Werden aber Aufhebung und Verlängerung in demselben Verfahren behandelt, entstehen die Gebühren nur einmal,[13] jedoch ist hier der Mehraufwand bei der Ermittlung des Gebührenbetrags (§ 14 Abs. 1 RVG) zu berücksichtigen.

 

Beispiel 1

Der Anwalt wird in einem Verfahren wegen der (erstmaligen) Anordnung der Unterbringung tätig. Hier findet ein gerichtlicher Anhörungstermin im Krankenhaus statt, welches sich nicht am Wohn- oder Kanzleisitzes des Anwalts befindet. Die einfache Entfernung beträgt 50 Kilometer. Später wird ein Verfahren wegen der Verlängerung der Maßnahme eingeleitet. Es wird derselbe Anwalt tätig. Auch hier findet in dem Krankenhaus eine gerichtliche Anhörung statt.

Es ist folgende Vergütung (Mittelgebühren) entstanden:

 
I. Anordnungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 42,00 EUR
  (2 x 50 km á 0,42 EUR)  
4. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV 30,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
6. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 124,07 EUR
  (19 % aus 653,00 EUR)  
  Gesamt 777,07 EUR
 
II. Verlängerungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6302 VV 176,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6303 VV 176,00 EUR
3. Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 42,00 EUR
  (2 x 50 km á 0,42 EUR)  
4. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV 30,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
6. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 84,36 EUR
  (19 % aus 444,00 EUR)  
  Gesamt 528,36 EUR
  Gesamt I.+II. 1.305,43 EUR
 

Beispiel 2

Der Anwalt wird in einem Verfahren wegen der (erstmaligen) Anordnung der Unterbringung tätig. Es findet ein gerichtlicher Anhörungstermin statt. Später wird ein Verfahren wegen der Verlängerung der Maßnahme eingeleitet. Es wird derselbe Anwalt tätig. Auch hier findet eine gerichtliche Anhörung statt. Später wird erneut ein Verfahren wegen der Verlängerung der Maßnahme eingeleitet. Es wird derselbe Anwalt tätig. Eine gerichtliche Anhörung findet statt.

Es ist folgende Vergütung (Mittelgebühren) entstanden:

 
I. Anordnungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
 
II. Erstes Verlängerungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6302 VV 176,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6303 VV 176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 70,68 EUR
  (19 % aus 372,00 EUR)  
  Gesamt 442,68 EUR
 
III. Zweites Verlängerungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6302 VV 176,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6303 VV 176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 70,68 EUR
  (19 % aus 372,00 EUR)  
  Gesamt 442,68 EUR
  Gesamt I.–III. 1.576,75 EUR
 

Beispiel 3

Der Anwalt wird in einem Verfahren wegen der (erstmaligen) Anordnung der Unterbringung tätig. Hier findet ein gerichtlicher Anhörungstermin statt. Gegen die Anordnung der Unterbringung wird Beschwerde eingelegt. Auch hier findet ein gerichtlicher Termin statt. Später wird ein Verfahren wegen der Verlängerung der Maßnahme eingeleitet. Es wird derselbe Anwalt tätig. Auch hier wird eine gerichtliche Anhörung durchgeführt. Gegen die angeordnete Verlängerung wird Beschwerde eingelegt. Hier findet ebenfalls ein gerichtlicher Termin statt.

Es ist folgende Vergütung (Mittelgebühren) entstanden:

 
I. Anordnungsverfahren  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 110,39 EUR
  (19 % aus 581,00 EUR)  
  Gesamt 691,39 EUR
 
II. Beschwerde wegen der Anordnung  
1. Verfahrensgebühr, Nr. 6300 VV 280,50 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 6301 VV 280,50 EUR
3. Postentgel...

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