§ 256 ZPO; §§ 2, 7, 10, 12, 13 StrEG

Leitsatz

  1. Auf eine Geltendmachung der durch die telefonische Kontaktierung eines Rechtsanwalts verursachten Verteidigerkosten im Wege der Leistungsklage muss sich der Kläger nur dann verweisen lassen, wenn ihm deren Bezifferung schon zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Feststellungsklage möglich und zumutbar gewesen ist.
  2. Verteidigerkosten stellen einen nach § 7 StrEG erstattungsfähigen Vermögensschaden dar, wenn das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird und die Kostenvorschriften der StPO für diesen Fall die Möglichkeit einer prozessualen Erstattung dieser Auslagen nicht vorsehen.
  3. Der ehemalige Beschuldigte kann nach den §§ 2, 7 StrEG für seine Verteidigerkosten nur eine Entschädigung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen verlangen. Eine etwaig vereinbarte höhere Vergütung ist nach diesen Vorschriften nicht zu entschädigen.

OLG Hamm, Urt. v. 29.1.2021 – I-11 U 41/20

I. Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Freistellung des Klägers von zu seinen Lasten durch eine Durchsuchungsmaßnahme verursachten Verteidigerkosten. Der Kläger hat gegen das Land NRW eine Feststellungsklage erhoben, die das LG nur als teilweise begründet angesehen hat. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg.

II. Zulässigkeit der Feststellungsklage

Das OLG hat die Feststellungsklage als zulässig angesehen. Die Zulässigkeit beurteile sich unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage der Kläger sein Feststellungsbegehren zu stütze, nach § 256 Abs. 1 ZPO. Auch hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs aus §§ 2 und 7 StrEG sei die Erhebung einer Feststellungsklage unter den in § 256 Abs. 1 ZPO normierten Voraussetzungen zulässig (Meyer, Kommentar zum StrEG, 10. Aufl., 2017, § 13 Rn 15; BeckOK-StPO/Cornelius, § 13 StrEG Rn 1; OLG Bamberg, Urt. v. 25.5.2009 – 4 U 198/08; LG Dortmund NJW-RR 1989, 129). Nach Auffassung des OLG, das seine Auffassung umfassen begründet, waren auch die in § 256 Abs. 1 ZPO für die Erhebung einer Feststellungsklage geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Die vom Kläger begehrte Feststellung betreffe die Frage des Bestehens eines zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses, nämlich die Frage, ob das beklagte Land dem Kläger aufgrund der Durchsuchungsmaßnahme vom 24.10.2017 nach den §§ 2 und 7 StrEG oder anderen Anspruchsgrundlagen zum Ersatz seiner bereits entstandenen und noch entstehenden Verteidigerkosten und sonstigen Vermögensschäden verpflichtet sei. Die Feststellungsklage sei auch nicht schon mangels eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers an ihr unzulässig. Auch sei bei nachgewiesenem Feststellungsinteresse auch im Justizverwaltungsverfahren die Stellung eines bloßen Feststellungsantrag zulässig (BeckOK-StPO/Cornelius, § 10 StrEG Rn 5; OLG Rostock, Urt. v. 6.3.2003 – 1 U 171/02; Meyer, a.a.O., § 10 Rn 16; MüKo-StPO/Kunz, 1. Aufl., 2018, StrEG § 10 Rn 8).

Nach Auffassung des OLG sei es dem Kläger auch nicht zumutbar, die von ihm geltend gemachten Verteidigerkosten unter Berücksichtigung der konkreten von Rechtsanwalt P entfalteten Tätigkeiten unter Anwendung des RVG selbst (fiktiv) zu beziffern. Denn bei den dabei in Betracht zu ziehenden Gebührentatbeständen der Nrn. 4100, 4104 und 4141 VV handelt es sich um sog. Rahmengebühren, deren genaue Höhe gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG von dem Rechtsanwalt nach billigem Ermessen zu bestimmen seien, weshalb der Anspruch nach § 7 Abs. 1 StrEG von dem Entschädigungsberechtigten grds. erst nach Rechnungslegung durch den Strafverteidiger beziffert werden könne. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt P für dessen Hinzuziehung als Verteidiger zu der Durchsuchungsmaßnahme, wie das LG gemeint hat, eine Honorarvereinbarung abgeschlossen worden wäre und dem Kläger schon deswegen kein Anspruch gegen Rechtsanwalt P auf Erteilung einer Honorarabrechnung nach dem RVG zustünde. Davon könne indes derzeit nicht als sicher ausgegangen werden. Denn nach den unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz sei der Umfang der Rechtsanwalt P zustehenden Verteidigervergütung und deren Rechtsgrundlage zwischen diesem und dem Kläger streitig. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Berufungsvorbringen des Klägers werde deswegen derzeit zwischen ihm und P ein Rechtsstreit vor dem LG Dresden geführt. Vor diesem Hintergrund könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass nach Abschluss dieses Verfahrens dem Kläger von Rechtsanwalt P für die von ihm im Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme entfalteten Verteidigertätigkeiten doch noch eine Honorarrechnung nach dem RVG erteilt werden wird und dabei von ihm Rahmengebühren abweichend von der Mittelgebühr angesetzt werden.

III. Begründetheit der Klage

In der Sache hat das OLG die Feststellungsklage nur als teilweise begründet angesehen. Der Feststellungsantrag sei allein insoweit begründet, als dass in ihm als Minus das Begehren des Klägers enthalten sei, die grundsät...

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