RVG § 56

Leitsatz

  1. Die Erinnerung nach § 56 RVG ist nicht fristgebunden.
  2. Grundsätzlich ist eine Nach- oder Rückforderung von Anwaltsgebühren dann nicht mehr möglich, wenn die Geltendmachung so lange verzögert wird, dass die Kostenberechnung längst abgewickelt ist und sich alle Beteiligten darauf eingestellt haben.
  3. Das Erinnerungsrecht der Staatskasse erlischt jedoch in entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 GKG mit Ablauf des auf die Kostenfestsetzung folgenden Kalenderjahres.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.8.2009 – 2 Ws 111/09

1 Sachverhalt

Dem Verurteilten war eine Rechtsanwältin zur Pflichtverteidigerin bestellt worden. Am 13.7.2006 wurde der Antragsteller als Vertreter für die verhinderte Rechtsanwältin für diesen Verhandlungstag als Pflichtverteidiger bestellt.

Hiernach rechnete der Antragsteller seine Pflichtverteidigergebühren für seine Tätigkeit in der Hauptverhandlung i.H.v. insgesamt 570,72 EUR ab. Enthalten darin waren neben der Terminsgebühr i.H.v. 216,00 EUR die Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV i.H.v. 132,00 EUR, die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4112 VV i.H.v. 124,00 EUR und die Kostenpauschale nach Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die geltend gemachten Gebühren antragsgemäß fest und ordnete unter dem 28.8.2006 die Auszahlung an.

Gegen diese Festsetzung legte der Bezirksrevisor am 2.7.2007 Erinnerung ein. Er machte geltend, dass die bestellte Pflichtverteidigerin nur vorübergehend verhindert gewesen sei. Bei der Bestellung des Antragstellers als Pflichtverteidiger habe es sich lediglich um die Bestellung eines Vertreters für den Verhinderungszeitraum gehandelt. Dem Vertreter der Pflichtverteidigerin würden deshalb zwar die Terminsgebühr, nicht jedoch die Grund- und Verfahrensgebühr zustehen. Der Bezirksrevisor beantragte, die dem Antragsteller zustehende Vergütung deshalb anderweitig auf 250,56 EUR festzusetzen. Daraufhin hat die Rechtspflegerin die dem Antragsteller gegen die Landeskasse zustehenden Kosten unter Aufhebung der Festsetzung v. 18.8.2006 anderweitig auf 250,56 EUR festgesetzt und die Rückerstattung des gezahlten Differenzbetrages i.H.v. 320,16 EUR an die Landeskasse verlangt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Einzelrichter hat die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil Klärungsbedarf besteht, ob die bisherige Rspr. des Senats (vgl. Senatsbeschl. v. 22.5.2008 – 2 Ws 306/07) fortgeführt werden soll. Anlass dazu geben die seitdem ergangenen abweichenden Entscheidungen des OLG Karlsruhe v. 16.7.2008 (NJW 2008, 2935) und des OLG München v. 23.10.2008 (NStZ-RR 2009, 32).

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Erinnerung des Bezirksrevisors ist nicht verfristet.

Die Erinnerung nach § 56 RVG ist nicht fristgebunden. Das ergibt sich aus § 56 Abs. 2 S. 1 RVG. Denn danach gilt im Verfahren über die Erinnerung § 33 Abs. 4 S. 1, Abs. 7 und Abs. 8 RVG entsprechend. Auf § 33 Abs. 3 RVG, der in seinem S. 3 bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen einzulegen ist, ist für das Verfahren über die Erinnerung nicht Bezug genommen. Soweit früher andere Auffassungen vertreten worden sind, hat der Gesetzgeber durch die Änderung des § 56 Abs. 2 S. 1 RVG mit dem Justizkommunikationsgesetz v. 22.3.2005 klargestellt, dass für das Verfahren über die Erinnerung § 33 Abs. 3 RVG keine Anwendung findet. Daher sind heute frühere entgegenstehende Auffassungen überwiegend aufgegeben worden (vgl. OLG Frankfurt RVGreport 2007, 100; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 56 Rn 7; Hartmann, KostG, 9. Aufl., § 56 RVG Rn 6; Schmahl, in: Riedl/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 56 Rn 5; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 56 Rn 11). Die Entscheidung des OLG Koblenz v. 23.6.2005 (NStZ-RR 2005, 391) beruht offensichtlich auf der früheren Rechtslage und dürfte überholt sein.

2. Das Erinnerungsrecht der Staatskasse ist auch nicht verwirkt.

Grundsätzlich ist eine Nach- oder Rückforderung von Anwaltsgebühren dann nicht mehr möglich, wenn die Geltendmachung so lange verzögert wird, dass die Kostenberechnung längst abgewickelt ist und sich alle Beteiligten darauf eingestellt haben. Dabei wird für Rückforderungen der Staatskasse überwiegend vertreten, dass der Justiz eine längere Frist zu gewähren ist, weil die Akten dem Bezirksrevisor oft erst längere Zeit nach Abschluss des Verfahrens zugeleitet werden. Deshalb wird überwiegend angenommen, dass das Erinnerungsrecht der Staatskasse in entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 GKG erst mit Ablauf des auf die Kostenfestsetzung folgenden Kalenderjahres erlischt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1462; OLG Koblenz AnwBl 1983, 323; Rpfleger 1993, 290; FamRZ 1999, 1362; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 441; OLG Celle JurBüro 1993, 1324, sämtl...

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