Der Entscheidung des OLG Stuttgart ist nicht zuzustimmen.

1. Umfang der Gewährung von Beratungshilfe

Die Gewährung von Beratungshilfe umfasst gem. § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG zunächst die Gewährung einer reinen Beratungsleistung i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG. Hierunter ist ein mündlicher oder schriftlicher Rat oder eine Auskunft zu verstehen, Auskunft bedeutet dabei die unverbindliche Beantwortung von Fragen, Rat hingegen die Empfehlung eines bestimmten Verhaltens. Durch die Beratung werden sämtliche mit der Beratung zusammenhängende Tätigkeiten abgedeckt (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 297). Die Beratungsperson ist nach dem Gesetzeswortlaut gehalten, die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung so gering wie möglich zu halten und hat sich daher zunächst auf die Beratung zu beschränken. Nicht jedes Bedürfnis nach Beratung durch eine Beratungsperson kann mit einem Bedürfnis nach Vertretung gleichgesetzt werden. Der Rechtsuchende soll selbst in die Lage versetzt werden, einfache Schreiben zu entwerfen oder Unterlagen einzureichen.

Nur soweit erforderlich, umfasst die Tätigkeit der Beratungsperson auch eine Vertretungshandlung gem. § 2 Abs. 1 S. 1 BerHG. Ob dem so ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Dies orientiert sich – wie bereits oben erwähnt – zum einen am objektiven Schwierigkeitsgrad der Rechtsangelegenheit, zum anderen aber auch im gleichen Maße an den individuellen Fähigkeiten des Rechtsuchenden selbst sowie die für ihn maßgebliche Bedeutung der Angelegenheit. Hilfskriterien wie Ausbildungsstand, Schulabschluss, Beruf, allgemeine Kenntnisse und auch das soziale Umfeld können zur Beurteilung herangezogen werden. Diese sind dann in Relation zur Komplexität der Angelegenheit zu setzen. Es ist also auf die individuellen Möglichkeiten des Rechtsuchenden abzustellen (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 208). Hat der Rechtsuchende bereits in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen selbst handeln können, so kann auch dieses Kriterium als Bewertungsmaßstab herangezogen werden (z.B. der Rechtsuchende hat bereits in vergleichbarer Situation ein einfach zu fertigendes Widerspruchsschreiben selbst verfasst und eingereicht).

2. Zeitliche Bewertung der Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung

Ob die ausgeübte Tätigkeit der Beratungsperson auch erforderlich war, ist im Festsetzungsverfahren durch das Gericht (Urkundsbeamte der Geschäftsstelle) zu prüfen (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, a.a.O., VV 2503 Rn 6; Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 212). § 2 Abs. 1 S. 2 BerHG betont ausdrücklich, dass die Beurteilung, ob eine Vertretung erforderlich ist, sich auf den Zeitpunkt nach der Beratung bezieht (BT-Drucks 17/11472, 38).

Die praktische Frage, zu welchem Zeitpunkt die Erforderlichkeit der Vertretungshandlung überprüft werden kann, kann letztlich nur im Vergütungsfestsetzungsverfahren erfolgen. Bei der Bewilligung der Beratungshilfe hat der Rechtspfleger zwar aufgrund der persönlichen Antragstellung beim AG aufgrund des persönlichen Eindrucks und der Angaben des Rechtsuchenden im Antragsformular einige Angaben zu der beantragten Angelegenheit vorliegen. Er kann jedoch zu diesem Zeitpunkt zu einer Notwendigkeit einer Vertretungshandlung der Beratungsperson noch gar keine verbindlichen Aussagen treffen (Gottschalk/Schneider, in: Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Aufl., 2022, Rn 1194), da er die durch die Beratungsperson zu entwickelnden Tätigkeit in der Angelegenheit noch gar nicht abschätzen kann. Der Ansicht des LG Berlin (Beschl. v. 22.5.2013 – 82 T 532/12), nachdem die Frage der Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung allein dem Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren obliegt, kann schon aus diesem Grunde nicht gefolgt werden. Eine Beschränkung des Berechtigungsscheines von vornherein auf lediglich "Beratung" ist nicht möglich (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 264; T. Schmidt, in: jurisPR-BGB, Bd. 4, Kostenrechtl. Hinw. in Familiensachen (Teil 16) Rn 25; LG Aachen AnwBl. 1997, 293 f.). Ausgenommen sind lediglich die strafrechtlichen Angelegenheiten gem. der gesetzlichen Beschränkung in § 2 Abs. 2 S. 2 BerHG.

Dem Senat ist insoweit – wie oben bereits erläutert – zuzustimmen, dass im Festsetzungsverfahren durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht geprüft wird, ob die Bewilligung der Beratungshilfe an sich durch den Rechtspfleger zurecht erfolgt ist.

Kann der Rechtsuchende nach erfolgter Beratung durch die Beratungsperson angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte jedoch nicht selbstständig weiter wahrnehmen, also dass mehr als nur eine bloße Beratungsleistung erforderlich wird (Köpf, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, VV RVG Nr. 2503, Rn 33), fällt bei einem weiteren Tätigkeitwerden der Beratungsperson nach außen ggf. dann eine Vertretungsgebühr gem. Nr. 2503 VV an. Die Beurteilung der Erforderlichkeit der Vertretung kann erst – wie § 2 Abs. 1 S. 2 BerH...

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