Zu begrüßen ist, dass das AG davon ausgeht, dass in den Fällen der Teilnahme des Pflichtverteidigers an einem Haft(prüfungs-)Termin nicht nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 VV entsteht (so aber unzutreffend OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.1.2023 – 4 Ws 13723, AGS 2023, 162), sondern nach Teil 4 Abschnitt 1 VV abgerechnet wird (so auch [inzidenter] OLG Karlsruhe (Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, AGS 2023, 164). Aber: Nicht nachvollziehbar ist, warum das AG dann nur die Grundgebühr Nrn. 4100, 4101 VV gewährt. Denn, wenn man nach Teil 4 Abschnitt 1 VV abrechnet, entstehen für den (Pflicht-)Verteidiger alle Gebühren, also Grundgebühr, Verfahrensgebühr und auch die Terminsgebühr (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, a.a.O.; LG Aachen, Beschl. v. 20.10.2020 – 60 Qs 47/20; [zum früheren Recht] LG Magdeburg RVGreport 2018, 257 = StRR 5/2018, 24 = StraFo 2018, 314 = AGS 2018, 341; [zum neuen Recht]; LG Magdeburg, Beschl. v. 16.7.2021 – 21 Qs 53 u. 54/21, AGS 2021, 427; LG Tübingen, Beschl. v. 6.2.2023 – 9 Qs 25/23, AGS 2023, 238, in diesem Heft; AG Halle (Saale), Beschl. v. 20.5.2022 – 398 Gs 540 Js 594/22 (259/22), AGS 2022, 311; AG Tiergarten, Beschl. v. 14.10.2022 – (278 Ds) 265 Js 277/22 (110/22), AGS 2022, 513; a.A. – zum Teil zum alten Recht – OLG Celle RVGreport 2019, 17 = StraFo 2018, 534 = JurBüro 2018, 580; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.1.2023 – 4 Ws 13/23; LG Leipzig RVGreport 2019, 338 = StraFo 2019, 439). Daran ändert m.E. auch der Umstand nichts, dass die Pflichtverteidigerin RA 1 hier "ausschließlich" für den Hafttermin bestellt worden ist. Denn auch der so beschränkt bestellte Rechtsanwalt muss sich in den Verfahrensstoff einarbeiten und ist voller Verteidiger (vgl. dazu überzeugend OLG Karlsruhe, a.a.O.). Das hat das AG hier offenbar übersehen. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es die Rechtsanwältin RA 1 nur als "Terminsvertreter" ansieht. Denn auch als solche stehen ihr alle Gebühren zu (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 2101 ff. m.w.N.; Vorbem. 4.1 VV Rn 5 ff.).

2. Unzutreffend ist die Gewährung nur der Grundgebühr Nr. 4100 VV zudem aus einem weiteren Grund. Das AG sieht zwar (noch) zutreffend, dass neben der Verfahrensgebühr immer auch die Grundgebühr entsteht (vgl. Anm. 1 zur Nr. 4100 VV). Geht man aber davon aus (vgl. dazu OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 = StRR 2015, 117; LG Amberg RVGreport 2020, 141 = JurBüro 2020, 358; LG Chemnitz RVGreport 2015, 265 = StRR 2015, 319 = AGS 2015, 379; LG Duisburg VRR 2014, 319 = AGS 2014, 330 = zfs 2014, 468 = StRR 2014, 360 = RVGreport 2014, 427; LG Oldenburg RVGreport 2014, 470 = zfs 2014, 648 = AGS 2014, 552 = StRR 2015, 80; LG Saarbrücken RVGreport 2015, 221 = StRR 2015, 239 = AGS 2015, 389; LG Wuppertal RVGreport 2020, 221 = JurBüro 2020, 357; a.A. – ohne nähere Begründung – OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22, AGS 2022, 206; OLG Nürnberg RVGreport 2016, 105 = StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29 = StRR 2015, 118 = NStZ-RR 2015, 95 [Ls.]), dann hätte das AG auch nicht nur die Grundgebühr festsetzen dürfen, sondern hätte auch die Verfahrensgebühr festsetzen müssen. Die Gebühren haben zwar eigenständige Abgeltungsbereiche, sie entstehen aber immer nebeneinander. Es entsteht die Verfahrensgebühr und daneben auch die Grundgebühr, die die Einarbeitungstätigkeit honoriert (vgl. zu allem Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 26 f. m.w.N.).

3. Und: Nach dem Sachverhalt – "dem Haftrichter des AG vorgeführt, der Haftbefehl gegen den diesen erlassen hat" – hat es sich bei dem Termin, an dem die Rechtsanwältin RA 1 teilgenommen hat, um einen Termin nach Nr. 4102 Nr. 3 VV gehandelt. Es ist also eine Terminsgebühr entstanden. Warum das AG die nicht festgesetzt hat, erschließt sich nicht.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 5/2023, S. 217 - 219

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