Das AG verweist darauf, dass seit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 die Vorführung des Beschuldigten nach §§ 115, 115a StPO zur Entscheidung über Haft ein Fall der notwendigen Verteidigung sei. Mithin sei die Mitwirkung eines Verteidigers zwingend. Eine in diesem Rahmen erfolgende Beiordnung als Pflichtverteidiger sei grds. eine umfassende Beiordnung und nicht nur eine Beiordnung für den Termin, sodass regelmäßig auch davon auszugehen sei, dass die Grund- und Verfahrensgebühr mit der Beiordnung anfallen. Der Tatsache, dass entsprechende Vorführungen regelmäßig innerhalb kurzer Zeit nach vorläufiger Festnahme oder Ergreifung erfolgen müssen und der Betroffene damit nur kurze Zeit habe, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen, trage das Gesetz durch die Möglichkeit des Verteidigerwechsels nach § 143a Abs. 2 Nr. 1 StPO Rechnung.

Hier habe der Beschuldigte bereits im Vorfeld der Vorführung von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Gem. der Beschuldigtenvernehmung vom 22.12.2021 habe dieser nach entsprechender Belehrung angegeben, anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Hierauf wurde Rechtsanwalt RA 2 in Kenntnis gesetzt, der auch vor Ort erschienen sei. Vermerkt seit weiter, dass sich Rechtsanwalt RA 2, da er zum Termin beim Haftrichter nicht anwesend sein könne, um Ersatz kümmern werde. Es sei insofern davon auszugehen, dass Rechtsanwältin RA1 durch Rechtsanwalt RA 2 gebeten worden sei, den Termin beim Haftrichter für ihn wahrzunehmen. Damit handelte es sich, wie auch im Protokoll vom 23.12.2021 vermerkt und mit dem erfolgten Beiordnungsbeschluss dokumentiert, um eine Terminsvertretung durch Rechtsanwältin RA 1.

Die kostenrechtliche Folge einer solchen Terminsvertretung sei umstritten. Teilweise werde von einem doppelten Anfall der Grund- und Verfahrensgebühr ausgegangen, teilweise werde dies abgelehnt. Soweit hinsichtlich der jeweiligen Ansichten sowohl von Rechtsanwältin RA 1 als auch der Staatskasse Entscheidungen zitiert worden seien, träfen diese jeweils nicht den konkret hier vorliegenden Fall. Zwar werde bei einem einvernehmlichen Pflichtverteidigerwechsel im laufenden Verfahren regelmäßig ein entsprechender Verzicht auf die Geltendmachung der entsprechenden Gebühren durch einen Verteidiger erwartet, um mehrfache Gebührenentstehungen zu vermeiden, vorliegend sei jedoch aufgrund der entsprechenden gesetzlichen Regelung zwingend eine Verteidigung im Termin notwendig und aufgrund des Erfordernisses einer zeitnah nach der Festnahme zu erfolgenden Vorführung vor den Haftrichter eine Teilnahme des gewünschten Verteidigers häufig nicht möglich. Aufgrund dieser zeitlichen Komponente weiche der Fall auch von Terminsvertretungen im Rahmen von Hauptverhandlungen ab, bei denen sowohl Gericht als auch Verteidigung in der Regel einen weit größeren Spielraum haben, Termine zu finden, die vom (Pflicht-)Verteidiger wahrgenommen werden können und eine Vertretung damit nicht erforderlich machen. Erfolge eine Terminsvertretung gleichwohl wegen Terminskollisionen des Verteidigers, könne es in so gelagerten Fällen sachgerecht sein, dass sich dies gebührenrechtlich zu Lasten der Verteidiger auswirkt. Weshalb die vom Gesetzgeber durch die Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung getroffene Entscheidung zur Notwendigkeit der Verteidigung dagegen kostenrechtlich zu Lasten des die Verteidigung im Vorführungstermin übernehmenden Verteidigers oder des vom Betroffenen innerhalb der drei Wochenfrist gewählten Verteidigers erfolgen soll, sei nicht ersichtlich. Es sei auch nicht so, dass die Grundgebühr im Verfahren nur einmal anfallen könne, da diese personenbezogen (auf den Verteidiger) sei. Insoweit sei anzumerken, dass in der von der Staatskasse zum einverständliche Pflichtverteidigerwechsel angeführten Kommentierung wiederum nur Bezug genommen werde auf Entscheidungen, die vor der Einführung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, insbesondere der Regelung des § 143a Abs. 2 Nr. 1 StPO, ergangen seien.

Regelmäßig würden Grund- und Verfahrensgebühr zusammentreffen, allerdings hätten beide einen eigenen Abgeltungsbereich. Die Grundgebühr entstehe grds. bei Übernahme des Mandats und erfasse eine erstmalige Einarbeitung u.a. auch das erste Gespräch mit dem Mandanten. Diese sei damit auch im vorliegenden Fall entstanden. Die Verfahrensgebühr entstehe dagegen mit der ersten Tätigkeit, die der Rechtsanwalt aufgrund des Auftrags, die Verteidigung im Ganzen zu übernehmen, erbringt. Eine solche Übernahme sei vorliegend jedoch gerade nicht erfolgt.

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