I. Fragen

1. Fall 1

Rechtsanwalt K hat für den Kläger bei dem zuständigen AG Potsdam Zahlungsklage über 2.500,00 EUR wegen restlicher Werklohnforderung erhoben. Für den Beklagten hat Rechtsanwalt B die Abweisung der Klage damit begründet, der Kläger habe die Arbeiten zum Teil nicht fertiggestellt, teilweise seien auch noch Mängel vorhanden. Der Amtsrichter ruft zunächst den Klägervertreter an und bespricht mit ihm, ob und ggf. in welchem Umfang die Einwendungen des Beklagten zutreffen und ob eine vergleichsweise Einigung über die Klageforderung in Betracht käme. Letzteres bejaht Rechtsanwalt K im Grundsatz. Er erklärt sich damit einverstanden, durch den Kläger einige Mängel beseitigen zu lassen und das Werk fertigstellen zu lassen, wenn der Beklagte den vereinbarten Werklohn zahlt. Hieraufhin teilt der Amtsrichter den Inhalt dieses Gesprächs dem Beklagtenvertreter telefonisch mit und fragt diesen, ob und unter welchen Umständen sein Mandant bereit sei, den eingeklagten Restwerklohn zu zahlen. Rechtsanwalt B sagt zu, die Sache mit dem Beklagten zu erörtern. In weiteren einseitigen Telefonaten des Amtsrichters mit den Parteienvertretern wird der Inhalt eines möglichen Vergleichs konkretisiert. Auf der Grundlage dieser Besprechungen macht der Amtsrichter den Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag, den diese gegenüber dem Gericht gem. § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO annehmen. Das Zustandekommen dieses Vergleichs stellt der Amtsrichter durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO fest.

Welche Vergütung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Rechtsanwalt K angefallen?

2. Fall 2

Kläger K hat vor dem LG Hamburg gegen den Beklagten E Klage auf Zahlung von 25.000,00 EUR erhoben. Nach Zustellung der Klageschrift beauftragt E in einem kurzen Informationsgespräch den Rechtsanwalt B, ihn in dem vor dem LG Hamburg anhängigen Rechtsstreit als Prozessbevollmächtigten zu vertreten und die Klageabweisung zu beantragen. Bevor es zur Durchführung des für einige Tage danach vereinbarten ausführlichen Besprechungstermins kommt, erscheint die Ehefrau des E im Büro des Rechtsanwalts B und teilt ihm unter Übergabe einer Sterbeurkunde mit, dass E kürzlich verstorben ist. Hieraufhin meldet sich Rechtsanwalt B schriftsätzlich bei dem LG Hamburg. Der Rechtsanwalt teilt mit, dass er den E vertrete und dass dieser ausweislich der in Kopie beigefügten Sterbeurkunde verstorben sei. Rechtsanwalt B beantragt, aus diesem Grunde die Klage als unzulässig abzuweisen.

Nach Erhalt dieses Schriftsatzes des Beklagtenvertreters nimmt der Kläger seine Klage zurück. Das LG Hamburg erlegt dem Kläger in einem Beschluss, in dessen Rubrum neben dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten auf Beklagtenseite der verstorbene E, vertreten durch Rechtsanwalt B, aufgeführt worden ist, die Kosten des Rechtsstreits nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auf.

Wer kann auf der Grundlage dieser Kostenentscheidung vom Kläger die Erstattung welcher Kosten verlangen? Welche Entscheidung wird der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren treffen?

II. Lösungen

1. Lösung zu Fall 1

I. Verfahrensgebühr

Rechtsanwalt K ist für das Einreichen der Klageschrift (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV) die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angefallen.

II. Terminsgebühr

Rechtsanwalt K hat zwar keinen Verhandlungstermin wahrgenommen, was nach Vorbem. 3 S. 1 VV eine Terminsgebühr ausgelöst hätte. Gleichwohl ist ihm nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV angefallen. Rechtsanwalt K hat nämlich – wenn auch einseitige – Telefongespräche mit dem Amtsrichter geführt, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet waren und die hier sogar mit dem Abschluss des schriftlichen Vergleichs zur Erledigung des Rechtsstreits geführt haben. Führt der Richter mit den Parteienvertretern nacheinander einseitige Gespräche, die der Erledigung des Rechtsstreits dienen sollen, löst dies bei den betreffenden Rechtsanwälten nach weit verbreiteter Auffassung die Terminsgebühr für Besprechungen aus.[1]

[1] S. LSG Schleswig, AGS 2023, 205 [Hansens], in diesem Heft.

III. Einigungsgebühr

Rechtsanwalt K hat ferner beim Abschluss des Einigungsvertrags (Vergleich) mitgewirkt, durch den der Streit über die Werklohnforderung des Klägers beseitigt worden ist. Die Mitwirkung des Rechtsanwalts liegt einmal in den über den Amtsrichter geführten Vergleichsverhandlungen, zum zweiten auch in der Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags. Hierdurch ist die 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV i.V.m. Nr. 1003 VV ausgelöst worden.

IV. Vergütungsberechnung des Rechtsanwalts K

Rechtsanwalt K kann somit seine Vergütung wie folgt in Rechnung stellen:

 
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 288,60 EUR
  (Wert: 2.500,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 266,40 EUR
  (Wert: 2,500,00 EUR)  
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV 222,00 EUR
  (Wert: 2.500,00 EUR)  
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 151,43 EUR
  Gesamt 948,43 EUR

2. Lösung zu Fall 2

I. Erstattungsberechtigter

Der Kostenbeschluss des LG Hamburg ist ausweislich seines Rubrums zugunsten des kurz vorher verstorbenen E ergangen. Obwohl E infolge seines Todes nicht (mehr) rechtlich existent ist, wird seine Parte...

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