1. Unzulässigkeit gestaffelter Wertfestsetzungen

Gestaffelte Wertfestsetzungen sind unzulässig (OLG München AGS 2017, 336 = MDR 2017, 243 = NJW-RR 2017, 700; LG Mainz AGS 2018, 571 m. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2018, 701; LG Stendal NJW-RR 2019, 703 = AGS 2019, 228 = JurBüro 2019, 368; OLG Bremen JurBüro 2022, 141 = NZFam 2022, 180 = NJW-Spezial 2022, 92 = AGS 2022, 92).

Das LG hat auch zu Recht vom Amts wegen (§ 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 S. 2 GKG) den Wert zutreffend einheitlich festgesetzt. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche Abänderung auch auf eine unzulässige Beschwerde hin erfolgen darf (dafür: z.B.: LAG Düsseldorf JurBüro 2017, 311 = AGS 2017, 412; dagegen OLG Köln JurBüro 2019, 464 = AGS 2020, 131). Hier lag jedenfalls eine zulässige Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG vor, sodass auf jeden Fall ein Abänderungsrecht nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 S. 2 GKG bestand.

2. Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Gegenstandwertfestsetzung

Es entspricht einhelliger Rspr., dass für eine Beschwerde gegen die Weigerung, einen Gegenstandswert nach § 33 RVG festzusetzen, keine Mindestbeschwer erforderlich ist (OLG Hamm JurBüro 2021, 147). Nach Auffassung des KG (NJW 1966, 1369) ist eine solche Beschwerde sogar unbefristet möglich.

Nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG ist es zwar erforderlich, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss die Beschwerde zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 S. 2 RVG). Zudem ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird (§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Dies alles gilt aber nur für eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 RVG, also gegen eine Entscheidung, mit der das Gericht den Gegenstandswert festgesetzt hat. Hier hatte das AG aber gar keinen Gegenstandswert festgesetzt, also keine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 RVG getroffen, sondern den Erlass einer solchen Entscheidung abgelehnt. In diesem Fall greifen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 33 Abs. 3 RVG nicht.

3. Fiktive Terminsgebühr nach Teilwerten

Die fiktive Terminsgebühr kann hinsichtlich verschiedener Gegenstände gesondert ausgelöst werden. Die einzelnen Werte sind sodann zu addieren. Dies gilt auch dann, wenn unterschiedliche Gebührentatbestände einschlägig sind.

 

Beispiel

Eingeklagt sind 10.000,00 EUR. Der Beklagte erkennt 3.000,00 EUR an, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil ergeht. I.H.v. 2.000,00 EUR wird die Klage zurückgenommen. Über die restlichen 5.000,00 EUR treffen die Parteien eine Einigung.

Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 10.000,00 EUR. Der Gegenstandswert der Terminsgebühr beläuft sich jedoch nur auf 8.000,00 EUR. Zum einen ist die Terminsgebühr durch das Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren aus 3.000,00 EUR und durch die Einigung aus den verbliebenen 5.000,00 EUR angefallen. Beide Werte sind nach § 22 Abs. 2 RVG zu addieren.

Abzurechnen ist wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   798,20 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV   334,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.745,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   331,66 EUR
  Gesamt   2.077,26 EUR

Die fiktive Terminsgebühr kann auch neben einer echten Terminsgebühr entstehen. Es kann hinsichtlich eines Gegenstands eine fiktive Terminsgebühr entstehen und hinsichtlich eines anderen Gegenstands eine echte Terminsgebühr. Die einzelnen Werte sind auch in diesem Fall zu addieren.

 

Beispiel

Der Kläger K klagt auf Zahlung von 5.000,00 EUR. Der Beklagte B erkennt 2.000,00 EUR an, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren ergeht. Über die restlichen 3.000,00 EUR wird mündlich verhandelt.

Die Terminsgebühr entsteht in diesem Fall aus dem vollen Wert, also aus 5.000,00 EUR. I.H.v. 2.000,00 EUR entsteht sie nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV und aus weiteren 3.000,00 EUR nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV.

Abzurechnen ist wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   400,80 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 855,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   162,45 EUR
  Gesamt   1.017,45 EUR

Nach Auffassung des OLG Schleswig (SchlHA 2022, 116) soll eine fiktive Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV dagegen nur dann entstehen, wenn das Gericht im gesamten Verfahren ohne eine mündliche Verhandlung entscheide. Ergehe zunächst ein Teil-Anerkenntnisurteil und finde nachfolgend eine mündliche Verhandlung über den restlichen streitigen Teil statt, so soll nach Auffassung des OLG Schleswig keine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entstehen; vielmehr...

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