§ 45 Abs. 1 RVG; Nr. 4143 VV RVG; §§ 403 ff. StPO

Leitsatz

Der Wahlverteidiger des Angeklagten kann nur dann Erstattung von Gebühren für Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren aus der Staatskasse verlangen, wenn er dem Angeklagten im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden ist.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.1.2022 – 1 Ws 108/21 (S)

I. Sachverhalt

Gestritten wird um die Festsetzung und Erstattung der bei dem Rechtsanwalt für ein Adhäsionsverfahren entstandenen Gebühren (Nr. 4143 VV) und Auslagen aus der Landeskasse. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Der Rechtsanwalt war Wahlverteidiger des Angeklagten R. Das AG verurteilte am 19.6.2019 den Angeklagten R. mit inzwischen rechtskräftigen Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe. Die Kostenentscheidung erging dahin, dass dem Angeklagten R. sowie dem Mitangeklagten A. die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten des Adhäsionsklägers und der Nebenklage auferlegt wurden. In der Hauptverhandlung erreichten die beiden Angeklagten mit dem Opfer der Straftat einen Täter-Opfer-Ausgleich dahingehend, dass sie unmittelbar an Gerichtsstelle 1.000,00 EUR zahlten und sich verpflichteten, weitere 2.000,00 EUR bis zum 31.7.2019 an den Geschädigten zu zahlen.

Während der Hauptverhandlung am 19.6.2019 beantragte der Rechtsanwalt seine "Beiordnung" für das Adhäsionsverfahren. Hieraufhin beschloss das AG: "Den Angeklagten werden ihre jeweiligen Wahlverteidiger für das Adhäsionsverfahren beigeordnet". Im Folgenden schlossen die Angeklagten und der Nebenkläger, der zugleich Adhäsionskläger war, den o.a. Vergleich. Das AG hat den Streitwert für das Adhäsionsverfahren auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Der Rechtsanwalt hat beim AG die Festsetzung der Gebühren für das Adhäsionsverfahren auf 741,37 EUR beantragt. Im Festsetzungsverfahren hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) den Rechtsanwalt darauf hingewiesen, dass mangels Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Adhäsionsverfahren eine entsprechende Festsetzung nicht möglich sei. Der Rechtsanwalt erwiderte, dass die Beiordnung "lege artis" gewesen sei und es "auf irgendwelche PKH-Anträge nicht ankomme".

Die UdG hat den Antrag auf Festsetzung der Vergütung für das Adhäsionsverfahren zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es an der nach § 404 Abs. 5 S. 1 StPO erforderlichen Bewilligung von PKH fehle. Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat der Amtsrichter den Beschluss der UdG aufgehoben und dieser aufgegeben, die Vergütung "für die Beiordnung des Adhäsionsverfahrens" festzusetzen. Die UdG hat daraufhin die dem Rechtsanwalt "aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 0,00 EUR festgesetzt." Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat das AG den Beschluss der UdG "nicht abgeändert und nicht aufgehoben." Hiergegen hat der Rechtsanwalt Beschwerde eingelegt. Das LG hat die Beschwerde verworfen und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtfrage einer Gebührenfestsetzung für den Fall einer Beiordnung für das Adhäsionsverfahren ohne Gewährung von PKH und ohne Pflichtverteidigerbestellung die weitere Beschwerde zugelassen. Die weitere Beschwerde des Rechtsanwalts hatte beim OLG keinen Erfolg

II. Kein Gebührenanspruch des Wahlanwalts gegen die Staatskasse (§ 45 Abs. 1 RVG)

Nach Auffassung des OLG besteht ein Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts aus § 45 RVG nicht. § 45 Abs. 1 RVG erfordere die Beiordnung des Rechtsanwalts im Wege der PKH nach §§ 114 ff. ZPO; in welchem Verfahren die PKH gewährt werde, sei gleichgültig. Im strafrechtlichen Bereich finden sich hierzu Regelungen beispielsweise für das Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 3 S. 2, 2. HS StPO), für das Privatklageverfahren (§ 379 Abs. 3 StPO) oder für das Adhäsionsverfahren (§ 404 Abs. 5 StPO), die jeweils auf die Vorschriften für die PKH in "bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" verweisen (s. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 404 Rn 14 f.; KK-Zabeck, StPO, 8. Aufl., 2019, § 404 Rn 6). Ein Antrag auf PKH nach §§ 114 ff. ZPO für das vorliegende Adhäsionsverfahren, dem nach § 117 Abs. 2 ZPO auch eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beizufügen gewesen wäre, sei jedoch weder von dem Rechtsanwalt gestellt noch sei PKH gem. § 119 ZPO durch das AG bewilligt worden. Dem Schriftsatz des Rechtsanwalts vom 29.8.2021 sei sogar zu entnehmen, dass sein Mandant aufgrund seines Einkommens "möglicherweise keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat". Um dies zu klären hätte es eines Antrags auf PKH nach § 117 ZPO bedurft.

Auch der Hinweis auf § 121 Abs. 2 ZPO in § 404 Abs. 5 S. 2 StPO führe zu keinem Anspruch des Beschwerdeführers gegen die Staatskasse. Denn auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Adhäsionsverfahren setze die Bewilligung von PKH nach §§ 114 ff. ZPO voraus, woran es hier fehle. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts hänge vom Bestand der PKH-Bewilligung ab. Eine ohne die erforderliche PKH-Entscheidung erklärte Beiordnung gehe ins Leere (vgl. Ebert, in: Mayer/Kroiß, RVG 8. Aufl., § 48 Rn 55). Eine Beiordnung entstehe nicht, wenn PKH nicht bewilligt worden s...

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