1. Kein Anspruch gegen die Staatskasse

Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung hart. Das mag aber (auf den ersten Blick) sein, die Entscheidung ist aber zutreffend. Der Wahlanwalt hat – wenn keine Beiordnung im Wege der PKH erfolgt ist – keinen Anspruch gegen die Landeskasse wegen der Gebühren des Adhäsionsverfahrens. Das haben die beteiligten Gerichte zutreffend erkannt und ausgeführt. Insoweit unterscheidet er sich eben vom Pflichtverteidiger, für den nach der neuen Rspr. des BGH die bloße Bestellung zum Pflichtverteidiger genügt, um auch die Vergütung für das Adhäsionsverfahren (Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV) aus der Staatskasse verlangen zu können, worauf das OLG hier ausdrücklich hinweist.

2. Folgen der unrichtigen Beiordnung

Wer trägt die Schuld an der verfahrenen Lage? Nun, sicherlich sowohl das AG als auch der Rechtsanwalt. Denn man darf m.E. schon von einem Jugendschöffengericht erwarten, dass es die Vorschrift des § 404 Abs. 5 StPO kennt und daher im Blick hat, dass die Beiordnung des Wahlanwalts im Adhäsionsverfahren eben nur unter PKH-Gesichtspunkten in Betracht kommt und daher die §§ 114 ff. ZPO zu beachten waren. Dasselbe gilt aber für den Verteidiger, der ja immerhin Fachanwalt für Strafrecht ist. Da nutzen auch markige Sprüche in der Art, dass er "unentgeltlich" arbeiten müsse – "die Sklaverei ist abgeschafft" – nichts. Die Beiordnung war eben nicht "lege artis" und es kam sehr wohl "auf irgendwelche PKH-Anträge an". Auch nachträglich ist nichts mehr zu reparieren. Denn eine ggfs. rückwirkende Bewilligung von PKH setzt nach der Rspr. des BGH voraus, dass der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der PKH getan hat und sein Antrag (nur) nicht rechtzeitig beschieden worden ist (BGH StraFo 2011, 115; StraFo 2017, 258; Burhoff, in. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 371). Das war hier aber nicht der Fall, da eben die Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten fehlt(e).

Und auch die vom OLG angesprochene Frage der Pflichtverteidigung führt nicht weiter. Abgesehen davon, dass erkennbar die Voraussetzungen für die Bestellung nicht vorliegen, müsste man dann den Beschluss des AG – "Den Angeklagten werden ihre jeweiligen Wahlverteidiger für das Adhäsionsverfahren beigeordnet." – in eine konkludente Pflichtverteidigerbestellung umdeuten können, was m.E. angesichts des klaren Wortlauts der Entscheidung nicht möglich ist. Auch die rückwirkende Bestellung als Pflichtverteidiger dürfte ausscheiden, da der Rechtsanwalt nicht alles aus seiner Sicht Notwendige getan hat, um als Pflichtverteidiger bestellt zu werden. Es liegt/lag insoweit ja noch nicht einmal ein – vom AG ggfs. übersehener – Antrag vor. Damit bleibt es dabei: Der Rechtsanwalt muss wegen der Gebühr Nr. 4143 VV seinen verurteilten Mandanten in Anspruch nehmen.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 5/2022, S. 211 - 213

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