Der Entscheidung des OLG München ist zuzustimmen. Sofern nur ein einziger Cent der Klage- (und Widerklage-)Forderung nicht von einem oder mehreren der in Nr. 1211 GKG KV aufgeführten Ermäßigungstatbestände erfasst wird, kommt eine Ermäßigung der gerichtlichen Verfahrensgebühr auf den Satz von 1,0 nicht in Betracht. Der Kläger hätte in den Genuss der Ermäßigung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1211 Nr. 1 GKG KV durch Klagerücknahme nur bis zum Eingang der Widerklage am 3.3.2016 gelangen können. Nachdem der Beklagte seine Widerklage erhoben hatte, konnte die Rücknahme der Klage nach einem viel höheren Streitwert als dem der Widerklage nicht zur Beendigung des gesamten Verfahrens führen. Infolge der Zusammenrechnung der Werte von Klage und Widerklage nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG sind Klage und Widerklage kostenrechtlich zu einem einheitlichen Verfahren zusammengeführt worden, sodass Klage und Widerklage nicht getrennt betrachtet werden können. Folglich wäre hier eine Ermäßigung der einheitlich zu berechnenden Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 GKG KV auf den Satz von 1,0 nur dann eingetreten, wenn der Kläger seine Klage zurückgenommen hätte und hinsichtlich der Widerklage ebenfalls einer der in Nr. 1211 GKG KV aufgeführten zur Ermäßigung der Verfahrensgebühr führenden Tatbestände vorgelegen hätte. Das wäre etwa der Fall gewesen, wenn hinsichtlich der Widerklage ein Anerkenntnisurteil ergangen wäre oder die Parteien über die Widerklageforderung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hätten (Ermäßigungstatbestände der Nr. 1211 Nr. 2 bzw. 3 GKG KV; s. hierzu auch NK–GK/Volpert, 3. Aufl., 2021, GKG KV Nr. 1211 Rn  9 m.w.N.).

Wirtschaftlich wäre sich der Kläger hier nicht wesentlich schlechter gestellt, wenn er die Widerklageforderung mit einem Wert von 10.000,00 EUR anerkannt hätte und sodann seine Klage zurückgenommen hätte. In diesem Falle hätte sich die gerichtliche Verfahrensgebühr von 13.308,00,00 EUR auf 4.436 EUR ermäßigt, also um 8.872,00 EUR. Nach meinen Erfahrungen aus der Praxis wird jedoch die Frage der Ermäßigung der gerichtlichen Verfahrensgebühr in die kostenrechtlichen Erwägungen der Handlungen der Parteien kaum einmal einbezogen.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 5/2022, S. 228 - 230

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