Nrn. 1000, 1003, Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG; §§ 91, 104 ZPO

Leitsatz

  1. Bietet der Kläger dem Beklagten den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs dergestalt an, dass hinsichtlich der Klageforderung zu 1 die volle Zahlung ohne die begehrten Zinsen und hinsichtlich der Klageforderung zu 2 ein Abschlag angeboten wird, so kann die Zahlung des erwarteten Betrags und der nicht mehr verlangten Zinsen nicht als Annahme des Vergleichsangebots seitens des Beklagten angesehen werden, wenn dieser die geforderte Kostenübernahmeerklärung nicht abgegeben und sich dem Abschluss eines Vergleichs ausdrücklich verweigert hat.
  2. Fehlt es somit an einem Vergleichsschluss, ist auch eine Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 dritter Fall der Anm. zu Nr. 3104 VV nicht entstanden.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.1.2022 – 6 W 86/21

I. Sachverhalt

Die Klägerin hatte dem Beklagten außergerichtlich den Abschluss eines Vergleichs angeboten. Danach sollte der Beklagte die Klageforderung zu 1 in voller Höhe von 8.934,76 EUR, jedoch ohne die mit eingeklagten Zinsen, die Klageforderung zu 2 nur noch i.H.v. 200,00 EUR statt der verlangten 332,60 EUR zahlen. Ferner verlangte die Klägerin die Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung seitens des Beklagten.

Der Beklagte hat in der Folgezeit den verlangten Betrag gezahlt und darüber hinaus auch die mit der ursprünglichen Klage geltend gemachten, mit dem Vergleichsangebot nicht mehr beanspruchten Zinsen. Die von der Klägerin erwartete Kostenübernahmeerklärung hat der Beklagte jedoch nicht abgegeben. Dem Abschluss eines Vergleichs hat er sich ausdrücklich verweigert.

In der Folgezeit hat die Klägerin die ursprünglich verlangte und vom Beklagten nicht gezahlte Restforderung i.H.v. 132,60 EUR nicht weiterverfolgt und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Aufgrund der daraufhin ergangenen Kostenentscheidung hat die Klägerin – soweit hier von Interesse – die Festsetzung einer 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV und einer 1,2-Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV beantragt. Der Rechtspfleger des LG Cottbus hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte beim OLG Brandenburg keinen Erfolg.

II. Anfall der Einigungsgebühr

1. Gesetzliche Grundlage

Die Einigungsgebühr entsteht nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV in der ab 1.1.2021 geltenden Gesetzesfassung für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Die Einigungsgebühr fällt nach Abs. 1 S. 2 der Anm. zu Nr. 1000 VV nicht an, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt. Ist über den Gegenstand ein gerichtliches Verfahren anhängig, fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV mit einem Gebührensatz von 1,0 an. Vorliegend hatte die Klägerin die Festsetzung einer 1,0-Einigungsgebühr beantragt.

2. Abschluss eines Einigungsvertrages

Ob zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein – hier außergerichtlich geschlossener – Einigungsvertrag zustande gekommen ist, beurteilt sich nach Auffassung des OLG Brandenburg nicht nach der Ansicht der beteiligten Parteien, sondern aufgrund der objektiven Entwicklung nach der Beurteilung des Gerichts bzw. eines gedachten verständigen Dritten.

Danach hatte hier die Klägerin zwar mit Vorlage eines Schriftsatzes ihres Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass sie dem Beklagten zum Zwecke der schnellen Beendigung des Rechtsstreits ein Vergleichsangebot gemacht hatte. In der Zahlung des erwarteten Betrags liegt jedoch nach Auffassung des OLG Brandenburg keine Annahme dieses Vergleichsangebots. Zum einen habe der Beklagte auch die mit der ursprünglichen Klage geltend gemachten Zinsen gezahlt, die nicht mehr Gegenstand des Vergleichsangebots der Klägerin gewesen sind. Zum zweiten habe der Beklagte die von der Klägerin erwartete Kostenübernahmeerklärung nicht abgegeben. Schließlich habe sich der Beklagte dem Abschluss eines Vergleichs ausdrücklich verweigert. Damit hatte die Klägerin den Abschuss eines die Einigungsgebühr auslösenden Vergleichsvertrages nicht glaubhaft gemacht.

Den Umstand, dass die Klägerin die noch ausstehende Forderung i.H.v. 132,60 EUR nicht weiterverfolgt hat, sondern den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, hat dies das OLG Brandenburg als einseitigen Verzicht gewertet, der eine Einigungsgebühr nicht entstehen lasse.

3. Kosten des Rechtsstreits

Das OLG Brandenburg hat außerdem darauf hingewiesen, dass auch die für den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs angefallene Einigungsgebühr zu den gem. § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits gehören kann. Hierzu bedürfe es einer Protokollierung des Vergleichs durch das Gericht nicht (s. BGH AGS 2007, 366 = RVGreport 2007, 275 [Hansens] = zfs 1007, 469 m. Anm. Hansens).

III. Terminsgebühr

In dem vor dem LG Cottbus anhängig gewesenen Rechtsstreits wurde ein Termin zur mündlichen Verhandlung nicht (mehr) durchgeführt, weil die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für...

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