1. Nun ist es amtlich: Deutsche Familienrichter sind oftmals nicht in der Lage, zutreffende Verfahrenswertfestsetzungen zu treffen. Sie setzen sogar "offenkundig" falsche Werte fest, also so falsch, dass dies an sich jedem auffallen müsste. Sonst wären sie ja nicht offensichtlich.

Es fragt sich dann aber unweigerlich, warum das im zugrunde liegenden Fall dann niemandem aufgefallen ist. Insbesondere fragt es sich, warum die offenkundige Unrichtigkeit nicht auch der Landeskasse aufgefallen ist. Diese hat immerhin im Wertfestsetzungsverfahren ein eigenes Beschwerderecht und hätte Beschwerde einlegen können.

2. Als nächstes fragt sich, wer denn eigentlich beurteilt, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt und damit von der Einziehung der Raten abzusehen ist. Soll dies etwa dem Urkundsbeamten im Verfahren nach § 50 RVG übertragen werden? Sind Urkundsbeamte also schlauer als Richter?

3. Für eine solche Auslegung, wie sie das OLG Celle hier vorgenommen hat und die letztlich nichts anderes ist als die Durchbrechung der Rechtskraft, besteht auch überhaupt kein Anlass. Die Antragstellerin hätte gegen die möglicherweise zu hohe Verfahrenswertfestsetzung Beschwerde nach § 59 FamGKG einlegen können. Hierzu war sie aus eigenem Recht berufen.

Die Landeskasse spielt sich hier als Interessenvertreter der bedürftigen Antragstellerin auf, obwohl hierzu überhaupt kein Anlass besteht. Der Antragstellerin steht nämlich, wenn die Wertfestsetzung offenkundig falsch war, ein Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt aus dem Anwaltsvertrag zu, wenn dieser sie nicht darauf hingewiesen und über die Möglichkeit der Beschwerde aufgeklärt hat (s. OLG Hamm AGS 2012, 439 = BRAK-Mitt 2011, 196 = RVGreport 2011, 478). An dieser Stelle ist zu entscheiden, ob dem Anwalt die möglicherweise überhöhte Vergütung zusteht oder nicht. Darüber hat aber ein Erkenntnisgericht zu entscheiden und nicht der Urkundsbeamte. Abgesehen davon ergibt sich hier aus dem Sachverhalt nicht, ob die Antragstellerin nicht doch vom Anwalt auf die möglicherweise unzutreffende Wertfestsetzung hingewiesen worden ist und sie bewusst von einer Beschwerde abgesehen hat.

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 5/2021, S. 212 - 213

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