Über die Entwicklung der Rspr. zu den Teilen 4–7 VV aus den Jahren 2020/2021 wurde zuletzt in AGS 2021, 198 ff. berichtet. Die nachfolgende Übersicht enthält eine Zusammenstellung der im Anschluss daran ergangenen bzw. bekannt gewordenen Rspr. Es sind auch die mit § 14 RVG zusammenhängenden Entscheidungen enthalten. Insoweit schließt der Beitrag an RVGreport 2020, 447 an. Der Stand des Beitrags ist Anfang April 2022.

 
Hinweis
 
Norm Gericht/Fundstelle Inhalt
I. Paragrafenteil des RVG
§ 1 RVG LG Osnabrück, Beschl. v. 17.6.2021 – 2 Qs 36/21, JurBüro 2021, 467 Einer nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassenen Wahlverteidigerin steht im Rahmen der notwendigen Auslagen des Betroffenen kein Vergütungsanspruch nach dem RVG zu, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 3 RVG nicht erfüllt sind.
§ 3a RVG OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.2021 – 24 U 355/20

1. Die Angemessenheit eines anwaltlichen Stundensatzes hängt u.a. von der Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei ab. Einzelkanzleien mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen mietpreismäßig günstigen Landesteilen können deutlich anders kalkulieren können als international tätige Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand.

2. Die Höhe eines anwaltlichen Stundensatzes unterliegt keiner AGB-rechtlichen Kontrolle, denn Preisvereinbarungen sind von einer Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB ausgenommen.

3. Bestreitet der Mandant pauschal den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts, dann ist dies bei Vorgängen unerheblich, die der Mandant selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate, Gespräche) oder durch die er anhand objektiver Unterlagen (z.B. Beweisaufnahmeprotokolle) Kenntnis erlangt hat.

4. Ein Gericht ist aus eigener Sachkunde in der Lage, den Zeitaufwand anwaltlicher Tätigkeit zu schätzen (§ 287 ZPO), denn auch ein Richter leistet vergleichbare Arbeit, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt und Dokumente erstellt.
  OLG München, Urt. v. 2.2.2022 – 15 U 2738/21 Rae

1. Der Rechtsanwalt schuldet seinem Auftraggeber grds. keinen Hinweis auf die Höhe der bisher entstandenen oder noch entstehenden Gebühren. Er muss nur auf Verlangen des Auftraggebers die voraussichtliche Höhe seines Entgelts mitteilen.

2. Aus besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich aber nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, den Mandanten auch ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren. Maßgeblich dafür ist, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste.

3. Nach st. Rspr. ist für die Frage, ob bei einer vereinbarten Vergütung ein für Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, auch der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand, der besondere und Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Gerade bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein.
  AG Waldkirch, Urt. v. 4.8.2021 – 1 C 214/20, AGS 2022, 61

1. Ein Zeittakt von fünf Minuten in einer Vergütungsvereinbarung ist nicht zu beanstanden.

2. Ist in einer Vergütungsvereinbarung keine Abrechnung nach Zeittakt vereinbart worden, muss der Rechtsanwalt minutengenau abrechnen.
§ 9 RVG BGH, Urt. v. 16.12.2021 – IX ZR 81/21, AGS 2022, 111 = JurBüro 2022, 74 Der Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses auf die Gebühren eines Rechtsanwaltes entsteht aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung des Vorschusses (Ergänzung zu BGH NJW 2019, 1458 = RVGreport 2019, 208 = AGS 2019, 170 = RVGprofessionell 2019, 130 = JurBüro 2019, 241).
§ 14 RVG    
Allgemeines LG Aachen, Beschl. v. 20.9.2021 – 60 Qs 46/21, AGS 2021, 545 Unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ist eine Gebührenbestimmung, wenn sie um 20 % oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt.
  LG Aachen, Beschl. v. 26.5.2021 – 60 Qs 18/21, JurBüro 2021, 628

1. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern. Gesetzliche Vergütungsregelungen und ihre Anwendung durch die Fachgerichte sind daher am Maßstab dieses Grundrechts zu messen.

2. Gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt in Verfahren, für welche die VV eine (Betrags-)Rahmengebühr vorsieht, die Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse) zu erstatten, ist gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebührenhöhe nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Höhe liegt.

3. Darüber hinaus liegt eine vom ersatzpf...

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