§ 11 Abs. 5 S. 1 RVG; § 146 Abs. 1 VwGO

Leitsatz

Der Einwand des im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG in Anspruch genommenen Antragsgegners, er habe den antragstellenden Rechtsanwalt nicht bevollmächtigt, stellt einen außergebührenrechtlichen Einwand dar, der zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führt.

Bay. VGH, Beschl. v. 14.2.2022 – 10 C 22.272

I. Sachverhalt

In der vor dem VG Augsburg geführten Verwaltungsstreitsache hatte die Rechtsanwältin als Antragstellerin die Festsetzung ihrer Vergütung gem. § 11 RVG gegen den Antragsgegner beantragt. Dieser hatte geltend gemacht, er habe der Rechtsanwältin keine schriftliche Vollmacht erteilt. Die hierzu gehörte Rechtsanwältin hat dies nicht bestritten, jedoch vorgetragen, der Antragsgegner habe gewissermaßen durch einen Boten die Erteilung der Prozessvollmacht gegenüber dem Verwaltungsgericht erklärt, die Vollmacht sei mündlich erteilt worden. Außerdem stelle der Einwand des Antragsgegners ein widersprüchliches Verhalten dar.

Der mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag befasste Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG Augsburg hat die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG abgelehnt. Den Antrag der Rechtsanwältin auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) hat das VG Augsburg zurückgewiesen. Hiergegen hat die Rechtsanwältin Beschwerde eingelegt, die der Bay. VGH zurückgewiesen hat. Außerdem hat der Bay. VGH der Rechtsanwältin die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

II. Ablehnung der Vergütungsfestsetzung

1. Gesetzliche Grundlage

Gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Vergütungsfestsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Dabei ist es nach Auffassung des Bay. VGH nicht erforderlich, dass die Einwendung oder Einrede näher substantiiert oder gar schlüssig dargelegt werden muss. Zweck der Regelung des § 11 Abs. 5 S. 1 RVG sei es, das Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mit der Prüfung schwieriger vertragsrechtlicher oder haftungsrechtlicher Einwendungen aus dem anwaltlichen Mandatsverhältnis zu belasten. Wenn sich bei der Prüfung des Vergütungsanspruchs solche zivilrechtlichen Fragen ergeben würden, sei der Rechtsanwalt darauf zu verweisen, seinen Anspruch vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen (Bay. VGH AGS 2008, 350).

2. Außergebührenrechtlicher Einwand

Einen solchen zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führenden Einwand hat der Antragsgegner hier nach Auffassung des Bay. VGH erhoben. Sein Einwand, er habe die Rechtsanwältin nicht bevollmächtigt, stelle nämlich einen solchen außergebührenrechtlichen Einwand dar. Die antragstellende Rechtsanwältin habe auch nicht bestritten, dass der Antragsgegner ihr selbst keine schriftliche Prozessvollmacht erteilt habe. Auch die weiteren Ausführungen der Rechtsanwältin zu einer Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem Verwaltungsgericht durch einen Boten und zu einer mündlich erteilten Prozessvollmacht sowie zu einem widersprüchlichen Verhalten des Antragsgegners waren nach Auffassung des Bay. VGH im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen und darauf nicht zu entscheiden. Der Bay. VGH hat deshalb die Beschwerde der Rechtsanwältin zurückgewiesen und dieser die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

III. Bedeutung für die Praxis

Ich teile die Auffassung des Bay. VGH nicht.

1. Anforderungen an außergebührenrechtliche Einwendungen

Der Bay. VGH hat zunächst zutreffend erkannt, dass außergebührenrechtliche Einwendungen i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG keiner Substantiierung und erst recht keiner Schlüssigkeit bedürfen (s. LAG Hessen RVGreport 2016, 54 [Hansens]; OLG Koblenz RVGreport 2016, 56 [Ders.]; FG Münster RVGreport 2020, 52 [Ders.]; s. auch BVerfG RVGreport 2016, 252 [Ders.]). Im Vergütungsfestsetzungsverfahren ist deshalb lediglich zu prüfen, ob das tatsächliche Vorbringen des Antragsgegners – seine Richtigkeit unterstellt – den verfahrensgegenständlichen Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts in irgendeiner Weise beeinflussen kann. Hierzu ist es erforderlich, dass der Antragsgegner vortragen muss, aus welchen konkreten Umständen er seine außergebührenrechtlichen Einwendungen herleitet. Deshalb hat der Antragsgegner die tatsächlichen, auf die Besonderheiten des konkreten Falls bezogenen Umstände vorzutragen. Seine Einwendungen müssen mindestens im Ansatz erkennen lassen, dass der Vergütungsanspruch des den antragstellenden Rechtsanwalt aus materiell-rechtlichen Gründen unbegründet sein könnte (LAG Rheinland-Pfalz RVGreport 2015, 135 [Ders.]). Unberücksichtigt bleiben lediglich diejenigen Einwendungen, die nach dem Rechtsgedanken des Rechtsmissbrauches "offensichtlich aus der Luft gegriffen" sind, sie somit offensichtlich haltlos sind und insbesondere ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt vorgebracht wurden (BVerfG a.a.O.; s. ferner Hansens, ZAP Fach 24 S. 1458).

2. Bestrittene Vollmacht

Das Bestreiten der Vollmacht ist grds. kein zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führender Einwand. Denn für den Vergütungsanspruch des den Antrag stellenden Rechtsanwalts kommt es nicht auf die durch die Proz...

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