Die Gebühr Nr. 4104 VV entstehe für eine Tätigkeit des Verteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang u.a. des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht (s. Anmerkung zu Nr. 4104 VV). Die Gebühr Nr. 4106 VV entstehe mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens, u.a. mit dem Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht. Hierbei habe sich der Gesetzgeber für klare Tatbestandsmerkmale, jeweils bezogen auf den Eingang bei Gericht als entscheidende Trennlinie entschieden. Eine Ausnahmeregelung für den Fall der Rücknahme einer Verfahrenshandlung der Staatsanwaltschaft habe der Gesetzgeber für den Vergütungstatbestand der Nr. 4104 VV sowie Nr. 4106 VV nicht mit aufgenommen. Insofern sei auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen.

Insoweit gelte: Infolge der Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls, werde das Verfahren wieder in das vorbereitende Verfahren (Ermittlungsverfahren) zurückversetzt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 156 Rn 2). Dies ändere jedoch nichts daran, dass bereits ein gerichtliches Verfahren begonnen hatte und diesbezüglich der Anfall der Gebühr Nr. 4106 VV bereits verwirklicht wurde, wenn der Verteidiger (erstmals) im gerichtlichen Verfahren tätig geworden sei (vgl. hierzu AG Gießen Sonderausgabe StRR 12/2016 = RVGreport 2016, 348 = AGS 2016, 394 = RVGprofessionell 2017, 62). Auch die Kammer sei der Auffassung, dass die Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls gebührenrechtlich keinen Einfluss auf die Eigenschaft eines gerichtlichen Verfahrens habe, zumal Nr. 4106 VV lediglich auf den Eingang des Antrags bei Gericht abstelle und nicht auf den Erlass des Strafbefehls. Sofern hier im weiteren Verfahren ein neuer Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht eingegangen wäre, wäre dies gebührenrechtlich jedenfalls als dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG zu behandeln gewesen.

Die übereinstimmende Auffassung in Rspr. und Lit. ist zudem, dass dem Verteidiger – sofern er nach Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls anschließend im Ermittlungsverfahren tätig war, z.B. aufgrund weiterer Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft, die zu einem erneuten Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder aber zu einer Einstellung geführt haben – zusätzlich die Gebühr Nr. 4104 VV zusteht (Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl., 2019, RVG VV 4104, Rn 4; LG Berlin LG Berlin, RVGreport 2017, 106 = AGS 2017, 80 = RVGprofessionell 2017, 142 = Sonderausgabe StRR 5/2017, 20; AG Gießen, a.a.O.). Auf den Umfang der Tätigkeit komme es für den Anfall der Gebühren nicht an, das ist ein Problem des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4104, Rn 6). Dem Verteidiger sei das Mandat unstreitig erst erteilt worden, als bereits der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht eingegangen war und somit das gerichtliche Verfahren – unabhängig von der späteren Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls – begonnen hatte (Nr. 4106 VV).

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