Das OLG rechnet auf der Grundlage wie folgt:

1. Pflichtverteidigervergütung

Der Pflichtverteidiger habe folgende Pflichtverteidigergebühren (netto) aus der Staatskasse erhalten (Gebührensätze nach VV RVG in der bis zum 31.12.2020 gültigen Fassung):

 
Praxis-Beispiel
 
Pauschgebühr 70.000 EUR
(anstelle Nrn. 4100, 4104, 4112 VV)  
Terminsgebühr, Nr. 4114 VV 46.336 EUR
(181 x 256 EUR)  
Längenzuschlag, Nr. 4116 VV 13.568 EUR
(106 x 128 EUR)  
Längenzuschlag, Nr. 4117 VV 1.024 EUR
(4 x 256 EUR)  
Gesamt 130.928 EUR

Bei den Terminsgebühren eines Wahlverteidigers habe der Pflichtverteidiger 182 x 304 EUR = 55.328 EUR zusätzlich sowie 560 EUR für den letzten Verhandlungstag in Ansatz gebracht, sodass sich insgesamt Terminsgebühren i.H.v. 116.816 EUR netto (60.928 EUR + 55.328 EUR + 560 EUR) ergeben.

Die Differenz bei der Anzahl der Verhandlungstage (181 bzw. 182) erkläre sich daraus, dass die Rechtspflegerin die Terminsgebühr für den aufgehobenen Hauptverhandlungstermin vom 30.1.2018 bei den Pflichtverteidigergebühren abgesetzt hat, bei den Wahlverteidigergebühren jedoch nicht. Eine Begründung für diese unterschiedliche Handhabung enthält der angefochtene Beschluss nicht.

Anzumerken sei – so das OLG –, dass sich für die 110 Verhandlungstage, bei denen die zu den Terminsgebühren eines Pflichtverteidigers gehörenden Längenzuschläge nach Nrn. 4116 bzw. 4117 VV angefallen seien, nach der von dem Pflichtverteidiger gewählten Berechnungsmethode (je Verhandlungstag 304 EUR zusätzlich) insgesamt Terminsgebühren ergeben, welche die zulässige Höchstgebühr eines Wahlverteidigers (560 EUR) mit 688 EUR bzw. 816 EUR deutlich überschreiten. Dass die Rechtspflegerin gleichwohl die angemeldeten zusätzlichen Terminsgebühren ungekürzt gegen die Staatskasse festgesetzt habe, könne nicht nachvollzogen werden. Abgesehen davon hätte der Pflichtverteidiger bereits bei der Antragstellung erkennen müssen, dass er bei seiner Berechnungsmethode die Längenzuschläge, die allein bei den Terminsgebühren eines Pflichtverteidigers vorgesehen seien und sich erheblich auf die Gebührendifferenz auswirken, nicht berücksichtigt habe. In die Vergleichsberechnung können die Terminsgebühren eines Wahlverteidigers maximal mit dem zulässigen Höchstbetrag (560 EUR) eingestellt werden. Einschließlich des letzten Verhandlungstages ergeben sich somit 183 x 560 EUR = 102.480 EUR (netto).

2. Wahlanwaltsvergütung

Bei der Berechnung der Wahlanwaltsvergütung legt das OLG auch ohne Bestimmung nach § 14 RVG die Grund- und Verfahrensgebühren eines Wahlverteidigers rechnerisch ebenfalls mit dem zulässigen Höchstbetrag zugrunde:

 
Praxis-Beispiel
 
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 360 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV 290 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4112 VV 320 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4114 VV 102.480 EUR
(183 x 560 EUR)  
Gesamt 103.450 EUR

Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren von 130.928 EUR überschreiten mithin die Wahlverteidigergebühren deutlich, sodass nach § 52 Abs. 1 S. 2 RVG kein Zahlungsanspruch gegen den Mandanten und demzufolge kein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse besteht.

Etwas anderes hätte sich nach Auffassung des OLG selbst im Falle einer an die Stelle der Grund- und Verfahrensgebühren tretenden Pauschgebühr eines Wahlverteidigers (§ 42 RVG) nicht ergeben. Denn anders als die nach oben nicht begrenzte Pauschgebühr eines Pflichtverteidigers (§ 51 RVG) dürfe die Pauschgebühr eines Wahlverteidigers das Doppelte der für seine Gebühren geltenden Höchstbeträge nicht übersteigen, sodass hier anstelle der Grund- und Verfahrensgebühren maximal eine Pauschgebühr von 1.940 EUR (netto) erreichbar gewesen wäre.

Es kommt jedenfalls nicht in Betracht, die jeweils vorteilhaften Elemente aus dem Gebührenrecht des Pflichtverteidigers und des Wahlverteidigers im Sinne einer Meistbegünstigung ("Rosinentheorie") miteinander zu kombinieren. Vielmehr seien die von der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG insgesamt auf den Gebührenanspruch des Wahlverteidigers anzurechnen.

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