Der Auffassung des OLG Stuttgart,[19] in der von den Parteien gewählten Verfahrensweise sei ein konkludenter Verzicht auf Erstattung der Einigungsgebühr zu sehen, kann nicht gefolgt werden. Zum Beleg dafür sollen nachfolgend die Voraussetzungen erörtert werden, unter denen eine – auch nach Auffassung des OLG Stuttgart[20] angefallene Einigungsgebühr – aufgrund der gerichtlichen Kostenentscheidung nach § 91a ZPO gegen den Gegner festgesetzt werden kann.

[19] RVGreport 2020, 266 [Hansens].
[20] A.a.O.

1. Darlegung des Einigungsvertrages im Kostenfestsetzungsverfahren

Wie hier wiedergegebene Beispiele aus der Rspr. zeigen, hängt die Frage, ob der Abgabe von Prozesserklärungen ein Einigungsvertrag zugrunde liegt, von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese Umstände, von deren Vorliegen der Abschluss eines Einigungsvertrags und damit der Anfall der Einigungsgebühr abhängt und die sich nicht zwingend aus den Gerichtsakten ergeben, müssen von der erstattungsberechtigten Partei im Kostenfestsetzungsverfahren vorgetragen und vom Gericht festgestellt werden. Dies wird in der Praxis allerdings nicht immer beachtet.[21] Die erstattungsberechtigte Partei hat deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren die den Abschluss eines Einigungsvertrags begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen und im Streitfall gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft zu machen. Am einfachsten gelingt dies, wenn die Parteien einen schriftlichen Einigungsvertrag geschlossen haben oder eine entsprechende Einigung vom Gericht protokolliert worden ist. Beruht der Abschluss des Einigungsvertrags auf nur mündlichen Erklärungen der Parteien oder liegen lediglich – wie im Fall des OLG Frankfurt[22] – stillschweigende Erklärungen vor, wird die Darlegung und Glaubhaftmachung etwas schwieriger.

[21] S. Thür. OLG RVGreport 2017, 139 [Hansens]; OLG Köln RVGreport 2016, 463 [Ders.].
[22] RVGreport 2018, 419 [Hansens].

2. Grundlage für die Kostenerstattung

Der III. ZS des BGH[23] und dem folgend der VIII. ZS des BGH[24] hatten früher die Auffassung vertreten, die Festsetzung der anwaltlichen Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO bzw. der Einigungsgebühr nach Nrn. 1000. 1003 VV erfordert, dass die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich nach § 794 Abs. 1 ZPO haben protokollieren lassen. Diese Auffassung ist in der Lit. und überwiegend auch in der Rspr. auf Kritik gestoßen. Der II. ZS des BGH[25] hat demgegenüber entschieden, für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr genüge es, wenn deren Anfall im Kostenfestsetzungsverfahren glaubhaft gemacht worden sei. Die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs sei demgegenüber nicht erforderlich. Dieser neuen Rspr. des BGH haben sich die Instanzgerichte angeschlossen.

[23] BRAGOreport 2002, 172 [Hansens] = AGS 2003, 84.
[24] RVGreport 2006, 234 [Ders.] = AGS 2006, 403 m. Anm. N. Schneider.
[25] RVGreport 2007, 275 [Ders.] = zfs 2007, 469 m. Anm. Hansens = AGS 2007, 366.

3. Konkludenter Verzicht auf Kostenerstattung

a) Kostensparende Verfahrensgestaltung

Das OLG Stuttgart[26] sieht einen konkludenten Verzicht der Parteien auf Kostenerstattung darin, dass diese den vermeintlich den Anfall der Einigungsgebühr vermeidenden Weg der Abgabe von Prozesserklärungen anstelle des Abschlusses eines formellen Vergleichs gewählt haben. Diese Argumentation ist schon im Ansatz widersprüchlich. Geht nämlich das OLG Stuttgart völlig zu Recht davon aus, dass die Einigung der Parteien, den Rechtsstreit durch Abgabe übereinstimmender Erklärungen beenden zu wollen, die Einigungsgebühr ausgelöst hat, so kann darin kein Verzicht auf Erstattung der Einigungsgebühr liegen. Denn diese Verfahrensweise ist jedenfalls hinsichtlich der Einigungsgebühr nicht kostengünstiger als die Beendigung des Rechtsstreits durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich. In beiden Fällen ist nämlich den hieran mitwirkenden Prozessbevollmächtigten die Einigungsgebühr angefallen. Die von den Parteien vereinbarte und dann auch gewählte Verfahrensweise, den Rechtsstreit durch Abgabe von Prozesserklärungen beenden zu wollen, konnte somit den Anfall der Einigungsgebühr nicht vermeiden.

Nach Auffassung des OLG Stuttgart[27] haben in dem von ihm entschiedenen Fall beide Parteien hinsichtlich der Erstattung der anwaltlichen Einigungsgebühr einen Verzichtsvertrag konkludent geschlossen. Für die Beklagtenseite ist hierfür bereits deshalb nichts ersichtlich, weil der Beklagten vereinbarungsgemäß gar kein Kostenerstattungsanspruch zusteht; sie hat nämlich die Kosten des Rechtsstreits (einschließlich des Vergleichs) übernommen. Ihr Verzicht ginge also ins Leere.

Zu Unrecht bezieht sich das OLG Stuttgart auch auf die Entscheidung des III. ZS des BGH vom 26.9. 2002.[28] Die Ausführungen des BGH dienten nämlich allein zur Begründung seiner Auffassung, die Festsetzung einer Einigungsgebühr komme nur dann in Betracht, wenn die Parteien einen den Formerfordernissen genügenden Prozessvergleich geschlossen hätten. Diese Auffassung hat der BGH jedoch – wie vorstehend unter II. 2. erörtert – längst wieder aufgegeben.

[26] RVGreport 2020, 266 [Hansens].
[27] A.a.O.
[28] BRAGOreport 2002, 172 [Hansens] = AGS 2003, 84.

b) Verzicht als materiell-rechtlicher Einwand

Es entspricht allgemeiner Auffassu...

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