BGB §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2; BRAO §§ 48, 49; StPO § 140 Abs. 1

Leitsatz

Ein zum Pflichtverteidiger bestellter Anwalt muss vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dem Beschuldigten einen eindeutigen Hinweis erteilen, dass er auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung zu weiterer Verteidigung verpflichtet ist.

BGH, Urt. v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17

1 Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Anwaltshonorar. Er beauftragte im Oktober 2012 den Rechtsvorgänger der Beklagten (fortan: der Beklagte) mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Dieser wurde sodann für den Kläger in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren und in einem gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren tätig. Im anschließenden Strafverfahren wurde der Beklagte am 27.6.2013 als Pflichtverteidiger bestellt. Am 4.7.2013 schlossen die Parteien eine Honorarvereinbarung, in der vereinbart wurde, dass der Kläger dem Beklagten bezogen "auf die Tätigkeit des Verteidigers im gesamten Ermittlungsverfahren sowie der kompletten ersten Instanz" ein Gesamthonorar von 12.500,00 EUR zahle. In Ziffer II dieser Vereinbarung war der Hinweis enthalten, dass die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten müsse und dass die Honorarvereinbarung deutlich höher sei. Einen Hinweis darauf, dass der Beklagte als bestellter Pflichtverteidiger den Kläger auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung weiter zu verteidigen habe, enthielt die Vereinbarung nicht; dies war dem Kläger auch nicht bekannt. Gestützt hierauf begehrt der Kläger die Rückzahlung der vom Beklagten in Rechnung gestellten und an diesen gezahlten Honorare, soweit sie die nach dem RVG geschuldeten Gebühren übersteigen.

Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte betreffend seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren und im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Rückzahlung verurteilt worden war. Hinsichtlich der am 4.7.2013 für die Verteidigung im Strafverfahren vereinbarten Vergütung hat es die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

2 Aus den Gründen

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers entschieden hat.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die Honorarvereinbarung v. 4.7.2013 genüge den formalen Anforderungen des § 3a Abs. 1 RVG. Für den Abschluss einer formal fehlerfreien Vergütungsvereinbarung sei es nicht erforderlich, dass der Anwalt den Mandanten darauf hinweise, dass er als Pflichtverteidiger von der Staatskasse bezahlt werde und zur Führung der Verteidigung kraft Gesetzes auch ohne (Mehr-)Vergütung durch den Mandanten verpflichtet sei. Soweit der BGH eine Kenntnis des Mandanten hiervon gefordert habe, weil Voraussetzung einer wirksamen Honorarvereinbarung sei, dass der Mandant diese freiwillig abgeschlossen habe, könne dem nach Einführung des RVG nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden. Auch freiwillig und vorbehaltlos an den Anwalt geleistete Zahlungen könnten in den Grenzen des § 814 BGB zurückgefordert werden. Ein Verstoß gegen §§ 3a, 4a RVG führe überdies nicht mehr zur Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung, sondern zur Beschränkung des Honorars auf die gesetzlich geschuldete Vergütung. Unwirksamkeit oder Nichtigkeit könne regelmäßig nur bei wirksamer Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB oder bei Sittenwidrigkeit der Vereinbarung gem. § 138 BGB angenommen werden. Beides sei hier nicht der Fall.

II. Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der klägerische Anspruch kann sich nach dem zur Entscheidung gestellten Sachverhalt auch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (culpa in contrahendo) ergeben. Dies lässt das Berufungsgericht außer Betracht.

1. Zunächst zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der gerichtlich zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt nicht gehindert ist, eine Honorarvereinbarung zu treffen (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1979 – III ZR 59/78, MDR 1979, 1004). § 3a Abs. 3 RVG, demzufolge Vereinbarungen mit im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälten nichtig sind, steht schon nach seinem Wortlaut nicht entgegen. Im Unterschied zur Prozesskostenhilfe ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht von den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten abhängig (vgl. § 140 StPO). Sie soll zwar auch dem mittellosen Beschuldigten die Verteidigung durch einen Strafverteidiger ermöglichen, der eigentliche Sinn und Zweck des Instituts der Pflichtverteidigung beruht jedoch auf dem Interesse eines Rechtsstaats an einem ordnungsmäßigen Verfahren und der dazugehörenden wirksamen Verteidigung (BGH, a.a.O.; AnwK-RVG/Onderka/Schneider, 8. Aufl., § 3a Rn 26; BeckOK-RVG/v...

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