FamGKG § 45 Abs. 1

Leitsatz

  1. Der Regelumgang umfasst regelmäßig auch dann Übernachtungen beim umgangsberechtigten Elternteil, wenn dessen häuslichen Verhältnisse – beengte Wohnverhältnisse, fehlendes Kinderbett, kalter Zigarettenrauch – ungünstig sein sollten.
  2. Der Regelwert von 3.000,00 EUR kann um ein Drittel gekürzt werden, wenn nur ein untergeordneter Einzelaspekt des Umgangs in Streit steht, der Sachverhalt einfach gelagert ist und die wirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Eltern beengt sind.

KG, Beschl. v. 10.1.2011 – 17 UF 225/10

1 Aus den Gründen

Die Wertfestsetzung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 45 FamGKG. Dem Senat erscheint die Festsetzung des Regelwertes von 3.000,00 EUR aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unbillig (§ 45 Abs. 3 FamGKG): Aufgrund des – von der Beschwerde ausdrücklich hervorgehobenen – Umstandes, dass nicht der Umgang insgesamt, sondern lediglich ein untergeordneter Einzelaspekt – die Übernachtungsregelung – angegriffen werden soll (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2002, 1578: Kürzung des Regelwertes um ca. ein Drittel, wenn der Streit nur den Umfang des praktizierten Umgangs betrifft), der Sachverhalt darüber hinaus sehr einfach gelagert ist (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.12.2009 – 8 WF 270/09: Herabsetzung des Gegenstandswerts auf 1.000,00 EUR bei unterdurchschnittlichem Bearbeitungsaufwand) und aufgrund der wirtschaftlich beengten Verhältnisse der Beteiligten – beide sind auf staatliche Transferleistungen angewiesen – sowie des insgesamt geringen Aufwandes – die Beschwerdeschrift besteht aus lediglich 1½ Seiten, der Aktenumfang beträgt gerade einmal 40 Seiten – ist eine Kürzung des Wertansatzes um ein Drittel angezeigt.

2 Anmerkung

Der sich für das Umgangsverfahren aus § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG ergebende Regelwert kann auf der Grundlage der Vorschrift des § 45 Abs. 3 FamGKG herauf- oder herabgesetzt werden.[1] § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG beschreibt den einfach gelagerten Durchschnittsfall, sodass Abweichungen allein davon ausgehend zu bemessen sind. Bereits in der Vergangenheit handelte es sich um veränderbare Regelwerte (§ 30 Abs. 2 S. 2 KostO), auch wenn sich die Gerichte selten mit der eröffneten Möglichkeit der Herauf- oder Herabsetzung befasst haben.

Der Gesetzgeber hat nunmehr für alle Regelwerte (§§ 44 Abs. 3, 45 Abs. 3, 47 Abs. 2, 48 Abs. 3, 49 Abs. 2, 50 Abs. 3, 51 Abs. 3 FamGKG) eine Billigkeitsabweichung eröffnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass Regelwerte die individuellen Umstände nur mäßig zu erfassen geeignet sind. Von der Abweichungsmöglichkeit soll deshalb zukünftig in größerem Umfang Gebrauch gemacht werden.

Es ist bei der Herauf- und Herabsetzung aber nie schematisch vorzugehen, vielmehr immer das Gesamtbild unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Deshalb kann auch der Streit über einen nur "untergeordneten Einzelaspekt des Umgangsrechts" es rechtfertigen, dass zeitlicher Aufwand und Umfang den Ansatz des Regelwertes mit sich bringen oder – anders als es das KG annimmt – sogar zu einer Erhöhung führen darf. Insoweit aber erscheint die Auffassung des KG grundsätzlich zumindest vertretbar.

Abzulehnen ist dagegen eine Herabsetzung des Regelwertes, wenn der "Sachverhalt einfach gelagert" ist und die beteiligten Kindeseltern in "beengten wirtschaftlichen Verhältnissen" leben. Denn die Berücksichtigung dieser Umstände würde zu einer Doppelverwertung und deshalb zu einer Benachteiligung insbesondere der Verfahrensbevollmächtigten solcher Beteiligten führen.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, es bei der Bewertung von Kindschaftssachen bei einem geringen Gebührenniveau zu belassen, involviert gedanklich die regelmäßig gegebenen schwachen Einkommensverhältnisse der Beteiligten. Eine nochmalige Berücksichtigung kommt deshalb im Rahmen des § 45 Abs. 3 FamGKG – soweit es um die Herabsetzung des Regelwertes geht – nicht in Betracht. Zu einer Erhöhung des Verfahrenswertes können gute wirtschaftliche Verhältnisse der Beteiligten aber beitragen. Denn zu einer "Doppelverwertung" kann es nicht insoweit kommen. Dem KG ist auch nicht darin zu folgen, dass der einfach gelagerte Sachverhalt eine Abweichung vom Regelwert rechtfertigt. Denn § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG stellt bereits auf den einfach gelagerten Durchschnittsfall ab.

Kriterien, die für eine Ermäßigung des Regelwertes[2] des § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG nach § 45 Abs. 3 FamGKG maßgeblich sein können, sind folgende:

  gleich gerichtete Anträge der Beteiligten von Beginn des Verfahrens an,
  zwischen den Beteiligten herrschen keinerlei Meinungsverschiedenheiten,[3]
  schon außergerichtlich erkennbare Kooperationsbereitschaft und Verständigung der Beteiligten,
  es wird nur der Umgang für einen abgrenzbaren Zeitraum geregelt, z.B. nur für die Ferien.[4]

FAFamR Lotte Thiel, Koblenz

[1] Verfahrenshandbuch Familiensachen, § 2 Rn 285.
[2] Schneider/Thiel, Die Abweichung vom Regelverfahrenswert, FPR 2010, 323.
[3] Schulte/Bunert/Keske, FamFG, § 45 FamGKG Rn 4.
[4] Schulte/Bunert/Keske, FamFG, § 45 FamGKG, Rn 5.

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