§§ 2, 3 InsVV

Leitsatz

  1. Bei einer signifikanten Abweichung kommt ein Abschlag von 20 % in Betracht.
  2. Eine solche Abweichung liegt bspw. vor, wenn die Zahl der Forderungsanmeldungen gering ist, keine Arbeitnehmer und kein Grundbesitz etc. vorhanden sind und lediglich ein Kaduzierungsverfahren stattfindet.

LG Münster, Beschl. v. 19.9.2023 – 5 T 263/23

I. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer begehrt eine höhere Vergütung für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin. Die mit Vertrag vom 18.5.2016 gegründete Insolvenzschuldnerin hat ein Stammkapital von 25.000,00 EUR, von dem vor Insolvenzeröffnung die Hälfte eingezahlt war. Sie hat keine Mitarbeiter und keinen Grundbesitz. Die Aktivseite ihrer Bilanz besteht allein aus einem Kassenbestand i.H.v. rund 200,00 EUR und Forderungen gegen ein verbundenes Unternehmen i.H.v. rund 16.000,00 EUR. Einzige Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin ist eine solche aus einer Kontoüberziehung bei der Bank Y über rund 213,00 EUR. Die Bilanzsumme beträgt rund 16.000,00 EUR bei einem Jahresüberschuss von rund 720,00 EUR. Einziger Geschäftszweck der Insolvenzschuldnerin ist es, die haftende Komplementärin der Firma Z1. zu sein. Mit Schriftsatz vom 4.8.2021 beantragte die Insolvenzschuldnerin sowohl für sich als auch die Firma Z1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit und die Beauftragung eines Sachverständigen zu den Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung. Mit Beschl. v. 20.9.2021 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über die Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und ernannte den Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin. Zur Tabelle der Insolvenzschuldnerin wurden lediglich zwei Forderungen angemeldet. Unter dem 6.3.2023 erstattete der Beschwerdeführer seinen vier Seiten umfassenden Schlussbericht zur Insolvenzschuldnerin. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte er die Festsetzung seiner Vergütung und der Auslagen als Insolvenzverwalter auf insgesamt 7.556,35 EUR brutto – was der Regelvergütung eines Insolvenzverfahrens entspricht – ohne die Geltendmachung eines Zuschlages. Mit Schreiben vom 13.3.2023 bat der zuständige Rechtspfleger des Insolvenzgerichts den Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf dessen Vergütungsfestsetzungsantrag um eine Begründung, weshalb angesichts der geringen Zahl der Buchungsvorgänge, der geringen Zahl von nur zwei der Forderungsanmeldungen und der geringen Anzahl an Vermögensgegenständen kein Abschlag von der Regelvergütung vorgenommen worden sei. Das AG setzte Vergütung und Auslagen des Beschwerdeführers mit Beschl. v. 15.6.2023 unter Zurückweisung des Vergütungsantrags i.Ü. auf insgesamt 6.347,33 EUR (brutto) fest, wobei es nur 80 % der Regelvergütung von 5.079,90 EUR bei einer Insolvenzmasse von 12.699,74 EUR zugrunde legte. Der Beschwerdeführer legte mit Schriftsatz vom 19.6.2023 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde ein. Er begehrt die Festsetzung der Regelvergütung. Das LG sah dies final jedoch ebenso wie das AG anders.

II. Grundsatz ist Regelvergütung

Das LG stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass grds. ein Insolvenzverwalter gem. § 63 Abs. 1 S. 2 InsO einen Anspruch auf die nach § 2 Abs. 1 InsVV zu berechnende Regelvergütung habe.

III. Abweichungen vom Regelfall

In seiner weiteren Begründung stellt das LG dann fest, dass dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen (§ 63 Abs. 1 S. 3 InsO) wird. Dies bedeutet: In umfangreicheren Verfahren kann ein Zuschlag, in unterdurchschnittlichen Verfahren ein Abschlag vorzunehmen sein. § 3 InsVV konkretisiert dies durch die Benennung von Faktoren, die einen Zuschlag oder Abschlag vom Regelsatz rechtfertigen können. Die einzelnen Zuschlags- oder Abschlagstatbestände sind lediglich beispielhaft. Es gibt zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können. Von bindenden Vorgaben hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil im Einzelfall alle in Betracht kommenden Faktoren umfassend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden müssen. Entscheidend ist eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung des Insolvenzgerichts (BGH, Beschl. v. 23.3.2006 – IX ZB 20/05, juris Rn 5).

IV. Signifikanz der Zu- oder Abschläge

Die Abweichung vom Normalfall muss so signifikant sein, dass, für jede sachkundige Person erkennbar, ein Missverhältnis entstünde, wenn nicht die besonders schwierige oder leichte Tätigkeit des Verwalters auch in einer vom Normalfall abweichenden Festsetzung der Vergütung ihren Niederschlag fände (BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZB 246/11). Maßgebliches Kriterium für die Gewährung von Zu- und Abschlägen ist der im Verhältnis zu den in jedem Verfahren zu erfüllenden gesetzlichen Aufgaben des Verwalters gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand (BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 70/14, juris Rn 56).

V. Kein gesetzlich geregeltes Normalverfahren – Zuschlag auch von Höhe der Masse maßgebend geprägt

Das Gericht stellt fest, dass dabei ein sog. Normalfall gesetzlich nicht geregelt ist. Die Kriterien können zudem aus Sicht des Gerichts auch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge