Das OLG Stuttgart hat sich hier der letztgenannten Ansicht angeschlossen. Soweit von der gegenteiligen Auffassung eingewandt werde, Art. 4 Abs. 1 PKH-Richtlinie mache den Anspruch auf PKH davon abhängig, dass die Bewilligung im Interesse der Rechtspflege erforderlich sei und eine solche Erforderlichkeit bei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht mehr bestehe, überzeuge dies insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK nicht, der ausdrücklich den mittellosen Beschuldigten erwähnt und damit auch das Kosteninteresse des Beschuldigten in seinen Schutzzweck aufnimmt (MüKo StPO/Kämpfer/Travers, 2. Aufl., § 142 StPO Rn 14). Auch in Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK werde das Recht einer angeklagten Person, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, davon abhängig gemacht, dass dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Die "Erforderlichkeit im Interesse der Rechtspflege" werde in diesem Zusammenhang aber im Anschluss an die englische Sprachfassung ("interests of justice") nicht auf die Gesichtspunkte der Rechtspflege im Sinne objektiv-organisatorischer Erfordernisse reduziert, sondern vielmehr i.S.v. Verfahrensgerechtigkeit gegenüber dem Angeklagten verstanden (MüKo StPO/Gaede, 1. Aufl., EMRK Art. 6 Rn 209). Ein Anlass, den Begriff der "Erforderlichkeit der Rechtspflege" in der PKH-Richtlinie anders zu interpretieren, bestehe nicht, zumal in den Vorbemerkungen der Richtlinie ausdrücklich auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK Bezug genommen werde. Zur Verfahrensgerechtigkeit in diesem Sinne gehöre es aber, die Entscheidung über die Bestellung eines Pflichtverteidigers danach zu treffen, ob ein Fall notwendiger Verteidigung vorliege und ein entsprechender Antrag rechtzeitig gestellt worden sei.

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