Fraglich ist die Gebührenrechtslage in dem Fall, in dem das Verfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein anderes Gericht "verwiesen" bzw. abgegeben wird. Es stellt sich dann die Frage, ob ggf. verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG vorliegen mit der Folge, dass mehrere (gerichtliche) Verfahrensgebühren entstehen.

 

Beispiel 1

Die Staatsanwaltschaft erhebt gegen den Beschuldigten B Anklage beim AG A. Dieses ist jedoch örtlich unzuständig. Der Amtsrichter weist die Staatsanwaltschaft darauf hin. Diese nimmt daher die Anklage zurück und erhebt eine neue Anklage beim zuständigen AG B.

Es handelt sich nicht um zwei verschiedene Angelegenheiten mit der Folge, dass zwei Verfahrensgebühren Nr. 4106 VV sowie zwei Postentgeltpauschalen Nr. 7002 VV entstehen würden. Eine Verweisung des Verfahrens vom AG A an das zuständige AG B ist daran gescheitert, dass wegen § 16 StPO im Strafverfahren eine Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht möglich ist.[23] Die deswegen erforderliche Rücknahme der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft und die sodann erfolgte erneute Anklageerhebung durch sie führt jedoch nicht zur Bildung verschiedener gebührenrechtlicher Angelegenheiten, weil im Ergebnis doch nur eine "Verweisung" vorliegt.

Hierfür spricht, dass das Strafverfahren weiterhin in derselben gerichtlichen Instanz anhängig ist, in der nach §§ 15 Abs. 2, 17 Nr. 1 RVG die Gebühren nur einmal gefordert werden können.[24] Ferner kann – auch wenn tatsächlich keine Verweisung vorliegt – der in § 20 RVG enthaltene Rechtsgedanke nicht unberücksichtigt bleiben. Aus § 20 S. 1 RVG ergibt sich der Grundsatz, dass bei einem erforderlichen Wechsel des Gerichts grds. nur ein Rechtszug vorliegt, in dem die Gebühren nach §§ 15 Abs. 2, 17 Nr. 1 RVG insgesamt nur einmal entstehen. Wenn schon bei der Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit, die zudem häufig mit einem Ortswechsel verbunden ist, weiterhin derselbe Rechtszug vorliegt, ist nicht ersichtlich, warum bei einem Wechsel des Gerichts innerhalb derselben Instanz wegen örtlicher Unzuständigkeit etwas anderes gelten soll. Aus dem strafprozessualen Erfordernis der Rücknahme der zunächst erhobenen Anklage und Einreichung einer neuen Anklage bei dem örtlich zuständigen Gericht erwachsen somit keine verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten.

[23] Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 16 Rn 5.
[24] Vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 1.

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